Aus: "Graswurzelrevolution" Nr. 193, Dezember 1994
Griechischer Blues - immer nur gut?
Zur Rembetiko-Musik: Sechs Impressionen und Vorwort
Rembetiko: Während es von einigen Wohlwollenden als "Blues der Griechen" bezeichnet wird, müssen in seiner trivialisierten Form die Bouzouki-Klänge als Hintergrundmusik für typische Touristenträume von Sonne, Strand und heiler Welt herhalten. Doch diese Musik ist auch Produkt gesellschaftlicher Umwälzungen‚ von kriegerischen Auseinandersetzungen und Massenvertreibungen.
Gespielt wurde Rembetiko nicht nur in Athen und Piräus‚ sondern vor allem von Griechen in Kleinasien. Als 1922 der Eroberungskrieg des griechischen Staates gegen die Türken in einem militärischen Fiasko endete (heute noch von vielen Griechen als "kleinasiatische Katastrophe" bezeichnet), retteten sich über eine Million Griechen ins Mutterland oder wurden bei dem sich anschließenden Bevölkerungsaustausch dorthin umgesiedelt. Ihre orientalisch geprägte Musik und ihre Gewohnheiten behielten sie größtenteils in ihrer neuen Heimat bei.
Hauptinstrument der Rembetikomusik ist die Langhalslaute Bouzouki. Es verschmelzen byzantinische, traditionell griechische und türkische Elemente. Insbesondere in dem Smyrna-Stil nehmen Improvisationen, wie man sie in der arabischen und türkischen Musik kennt, breiten Raum ein.
Als Flüchtlinge fanden die kleinasiatischen Griechen oft keine Arbeit‚ wohnten in unwürdigen Behausungen der Vorstädte oder in der Hafengegend und hielten sich oft mit dubiosen Geschäften über Wasser. Die rauhen Lieder handelten auch vom Überlebenskampf und Konflikten mit gesellschaftlichen Normen und Autoritäten. Das Bürgertum verachtete die "Türkenbrut"‚ wie sie oft genannt wurden (1).
Die Linke konnte mit ihnen nichts anfangen, da sie sich weder in eine Partei noch in eine Gewerkschaft integrieren ließen. Diejenigen Rebetes, die sich während des 2. Weltkrieges gegen die deutschen Besatzer auflehnten und darüber Lieder sangen, waren in der Minderheit. Die Mehrheit versuchte sich invidualistisch, auch auf Kosten anderer, durchs Leben zu schlagen.
Ihr Bekenntnis zur "freien Liebe" bedeutete in der Praxis weitgehende Rücksichtslosigkeit des Mannes gegenüber der Frau. In den 60er und 70er Jahren passten sich die Rembetikomusiker einem breiteren Publikum an‚ sodass auch das Bürgertum in ihre Konzerte ging. Am populärsten wurden Kompositionen von Theodorakis und Chatzidakis. Das weitverbreitete Bild vom sympatischen, unangepaßten Underdog stimmt nur zum Teil. Übersehen werden hierbei negative Aspekte wie extremer Egoismus, gesellschaftliche Entsolidarisierungstendenzen und Frauenfeindlichkeit.
I. Keine große Idee
"Nur Ouzo, Ouzo, ich habe ihn satt, bringt mir einen Kognak, auf den ich Lust habe" (2) hatte Markos laut gesungen und die Touristen guckten blöd - sie verstanden ihre griechische Bilderbuchwelt nicht mehr. Ein Grieche, der keinen Ouzo mag, war für sie etwas unvorstellbares. Gerade hatte er seine Stammkneipe verlassen. Dieses entsetzliche Sirtakitheater, das der Wirt Jannis neuerdings für die Touristlnnen veranstaltete, ging ihm auf die Nerven. Nichts, aber auch gar nichts hatte dieser saudumme Tanz mit dem Rembetiko zu tun.
Diese elenden Hopser und lächerlichen Pirouetten hatten sie in den sechziger Jahren in Paris für den Film "Alexis Sorbas" erfunden und der Theodorakis machte auch noch die Musik dazu. Unsere alten Lieder verwandelte er in süßliche Schlager. Na ja, ein paar Widerstandslieder sind auch von ihm, aber mit Politik will Markos nichts zu tun haben. Alt ist er geworden und wollte die Katastrophen, die er in seinem Leben erlebt hatte, vergessen.
Aber kaum saß er vor seiner Wohnung auf dem Stuhl, erinnerte er sich doch. Hatten sie es nicht gut in Kleinasien vor 1922‚ diesem verfluchten Jahr? Abgesehen von kleineren Reibereien, die überall einmal vorkamen, verstanden sie sich mit den Türken gut. Keiner der kleinasiatischen Griechen wäre jemals wegen einer "großen Idee" auf den Gedanken gekommen in den Krieg zu ziehen (3). Im Gegenteil! - Haben sie nicht gemeinsam in den Cafes dem türkischen Geschichtenerzähler gelauscht? Teilten sie nicht dabei brüderlich die Haschischpfeife? Und wenn sie Lust hatten, haben sie nicht gemeinsam gesungen?
Diesen verdammten Krieg haben diese verrückten Politiker aus Athen angezettelt! Die waren Schuld, dass seine ganze Familie hunderte von Kilometern vor den Kämpfen nach Smyrna fliehen mußte und am Ende sogar noch froh sein konnte, auf einem der letzten Schiffe dem Gemetzel zu entkommen. Er war einer von einer Million! Völlig mittellos hatte er dann in Piräus dagestanden und es begann die lange Zeit, wo er sich als Gelegenheitsarbeiter über Wasser halten musste. - Wie oft hatte er Heimweh gehabt! Selbst jetzt noch. Zurück? Nach über 50 Jahren? Nein, nein, vorbei ist vorbei. Die paar Jahre, die er noch leben würde, bleibt er hier. Stand kurz auf und stellte seinen uralten ausgeleierten Kassettenrekorder auf die Fensterbank, setzte sich wieder und hörte verzückt die Stimme von Sotiria Bellou:
"Ach, wenn ich sterbe, was werden sie sagen?
Einer ist gestorben, ein Bursche, der das
Leben genossen hat. Aman, aman!
Ach, wenn ich auf dem Schiff sterbe, werft
mich ins Meer, daß mich die schwarzen
Fische fressen und das salzige Wasser.
Aman, aman!" (4)
II. "Türkenbrut"
Was habe ich verbrochen, dass mich Gott mit so einem Halunken gestraft hat? Seit vier Tagen hat er sich nicht mehr sehen lassen. Selbst wenn er jetzt käme, so nur, um mir mein mühsam verdientes Geld wieder abzuknöpfen. Seit zwei Jahren nichts anderes als kümmerliche Näharbeiten! Bei der ganzen Verwandtschaft habe ich Schulden. Er verspielt alles oder gibt es für seine verfluchte Nargile (5) aus. Die Nachbarn tuscheln seit unserem Einzug in dieses Haus. Die blöde Ziege von gegenüber zischte mir beim letzten Streit "Türkenbrut" zu. So weit ist es schon gekommen.
Seitdem er wegen einer Diebstahlsache ins Gefängnis musste, wurde es noch schlimmer. Und wer hat ihn wochenlang besucht und ihm auch noch das Essen in die Zelle gebracht? Wer war so dumm? Ich hatte gedacht, das wäre ein heilsamer Schock für ihn. Aber nein, dann kam er mit einer winzigen Baglama, die nur aus einer alten Blechbüchse und ein paar Saiten bestand, aus dem Knast heraus. Nahm sie zu seinen Kneipenauftritten mit. Jeder konnte sehen, wo er herkam!
Ja, als ich ihn kennenlernte, was hatte er mir nicht alles versprochen! Und was ist dabei herausgekommen? Ich pfeife auf die paar Schuhe! Wie ein Gockel hatte er bei seinen Auftritten hinausposaunt:
"Wenn ich dich abends durch die Gassen schlendern seh
und du trägt Pasoumi, zerbrichst du mein Herz.
Sie sind rot und klappern und wecken die Nachbarn auf.
Sie brechen alle Herzen und lassen sie leiden.
Diese Schuhe, diese Pasoumi, stehen dir wirklich, Süßes.
Du sollst sie tragen und Glück haben, das ist mein Wunsch.
Wenn du in Athen ausgehst, mein Schatz, sollst du sie tragen.
Zwei Paar sollst du jeden Monat durchlaufen.
Ich seh dich und bin eifersüchtig, wie ein Rebhuhn stolzierst du.
Ich werde Tag und Nacht arbeiten, damit du Pasoumi tragen kannst."(6)
Damals hab ichs für bare Münze gehalten. Jetzt treibt er sich nachts in gewisen Häusern herum und amüsiert sich mit irgendwelchen Schlampen. Gut, daß er damals noch nicht einmal heiraten wollte und auf den Segen des Popen verzichtete. Das macht jetzt alles einfacher. Wenn er nach Hause kommt, wird es keine der fruchtlosen Geplänkel mehr geben. - Nein, ich werde ihm die Vase an den Kopf schmeißen und ihn für immer vor die Tür setzen!
III. Die Premierminister werden, sterben auch daran!
Gerasimos kommt von einer Gewerkschaftsversammlung und befindet sich auf dem Heimweg. Nervenaufreibende Diskussionen. Wieder einmal. Als er an einer Kneipe vorbeigeht, hört er diese seltsame Musik und Worte, die ihn aufhorchen lasen. Er tritt etwas näher zur Tür und lauscht. Wahrhaftig, da singt doch einer:
"Die Premierminister werden, sterben auch daran,
das Volk ist hinter ihnen her wegen all des guten, das sie tun.
Unser Kondylis ist tot, Venezelos ist weg,
und Dermetzis verschwand, als er schon fast am Ziel war.
Ich lass mich als Kandidat aufstellen und werde Premierminister,
dann kann ich mich fett und faul hinsetzen und essen und trinken.
Dann erhebe ich mich im Parlament, da habe ich zu bestimmen,
ich bringe sie auf die Waserpfeife und mache sie alle bekifft". (7)
Er schüttelte den Kopf. Wenn das alles so einfach wär! Mit solchen Sprüchen löst man doch keine Probleme. - Überhaupt. Diese Rebetis arbeiten oft nicht einmal, treiben sich in der Hafengegend herum und sind in allerlei zwielichtige Geschäfte verwickelt. Er muß lachen, hatte er doch vor gar nicht langer Zeit allen Ernstes erwogen, er könne dieses Gesindel bei ein paar Flaschen Wein für die Ziele seiner Gewerkschaft gewinnen. Als er diesen Vorschlag machte, haben ihn seine Genossen verständnislos angesehen und er hat das Thema nie wieder angesprochen. Es wäre sowieso völlig absurd. Die würden sich den ganzen Abend auf seine Kosten amüsieren, alles leertrinken, um sich am nächsten Tag womöglich als Schläger bei den Unternehmern anzudienen (8).
Nein danke, nicht mit mir. Denn brutal können die sein, da heißt es aufpassen. Er selber hatte es mitangesehen. Zwei von denen waren unten am Hafen in Streit geraten. Es begann damit, dass der eine dem anderen versehentlich - wirklich versehentlich? - auf den langen Schal getreten ist, den sich diese Burschen um den Bauch gebunden hatten und der oft bis zu den Füßen herabhing. Schon wieder sowas Verrücktes. Und plötzlich fing die wildeste Messerstecherei an. Zum Schluß ein Stoß in den Bauch, das Messer umgedreht, damit sicher ist, daß der Andere auch wirklich stirbt, der Sieger leckt auch noch das Blut vom Messer ab. Diese Barbaren! Massakrieren sich gegenseitig. Er wendet sich angewidert von der Lärmquelle ab.
IV. Die Bouzouki
Der Pope verhält sich in letzter Zeit merkwürdig abweisend, dachte sie als sie vom Markt wiederkam. Er guckte einfach weg und tat so, als ob er mich nicht kennen würde. Mein ganzes Leben bin ich jede Woche zur Kirche gegangen, getauft hat er vor 26 Jahren meinen Sohn Thodoros, womit wir beim Kern des Problems wären. Wahrscheinlich hat ihm eine dieser widerlichen Klatschweiber erzählt, was mit Thodoros los ist. Nicht nur, daß er die meiste Zeit in verrufenen Kaschemmen gesehen wird, nein, er versucht sich auch noch als Sänger schmutziger Lieder, bei denen jeder anständige Mensch nur schamrot werden konnte. Von wem hatte er die Respektlosigkeit, daß er sich selbst über unser Heiligstes lustig machte?
"Als orthoxer Christ, in dieser Gesellschaft
mache ich mich bereit, mein Mangas (9), für eine Andacht.
Ich kaufe mir meinen Tabak und ein Stück Haschisch.
Und mache mich auf, mein Mangas, und gehe nach Ajios Mamas.
Ich betrete die Kirche, die Räume unter runden Bögen,
und fange an, am Tabak zu ziehen, als wollte ich die Kerzen anzünden.
Und der Erzengel dahinten wird mit einem Mal
ganz bekifft von dem vielen Rauch.
Er sagt zu mir: 'Höre Christenmensch, es ist keine Sünde,
in die Kirche zu kommen und Andacht zu halten.'
Doch dann sagte plötzlich ein Mönch zu mir: „Geh weg hier,
jetzt bin ich an der Reihe, ein paar Züge zu machen."(10)
Schon mit 16 Jahren hatte dieses unheilvolle Instrument, mit dem kein normaler Mensch etwas zu tun haben wollte, meinen Sohn verhext! Obwohl auch mein Mann ihm streng verboten hatte, so ein Instrument zu spielen, kam er trotzdem eines Tages mit einer Bouzouki nach Hause. Natürlich hat es einen Riesenkrach gegeben und mein Mann versuchte vergeblich, ihm das Ding zu entreißen. Thodoros spielte einfach weiter. Es kam noch schlimmer. Für seine Eskapaden benötigte der Herr Sohn Geld. Unser Geld. Als ich die Schatulle aufmachte, fehlten mehrere Scheine. Er hatte es genommen, um sich diese schrecklichen Klamotten kaufen zu können, mit denen seine Kumpanen herumlaufen: gestreifte Hosen, Jackett und ein Hut mit schwarzem Band. Als wir ihn zur Rede stellten, gab er den Diebstahl offen zu und war sich keiner Schuld bewußt. Wie zum Hohn spielte er die nächsten Tage so laut, dass es alle in der Gasse hören konnten:
"Was willst du nur
mit all dem Geld?
Wozu brauchst du das?
Was willst du damit machen?
Das Geld ist nur geliehen,
es geht von Hand zu Hand.
Gib’s aus!
Was willst du sonst damit?
Dann hast du's wenigstens
mal gehabt.
Feiere das Leben!
Dir bleiben nur zwei Meter Erde.
Geld ist nur geliehen.
Es geht von Hand zu Hand.
Gib's aus!"(11)
V. Kleiner Spaziergang durch Saloniki
Endlich Ausgang. Vor zwei Jahren einmarschiert und jetzt auf Besichtigungstour. Willi hielt das Heftchen "Ein kleiner Spaziergang durch Saloniki" in den Händen. Sauber. Deutsche Wertarbeit. Na‚ dann mal los. Zuerst zum Weißen Turm, Wahrzeichen von Makedonien, steht da. Soso, 410.000 Einwohner hat Saloniki. Ob der Verfasser die 42.000 Juden (12), die wir aufgestöbert und zum Abtransport in die Eisenbahnwaggons getrieben hatten, schon abgezogen hatte? Die meisten von denen redeten spanisch, weiß der Teufel warum (13).
Unfreudlich und widerspenstig sind die Griechen. Kein Wunder, Lebensmittel sind knapp und der Schwarzmarkt blüht. Was die nicht alles verkaufen, ihr ganzes Hab und Gut nur für ein bißchen Brot. Hunderttausende sollen gestorben sein. Gar nicht so einfach, unter diesen Umständen die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Es wird geklaut, Lebensmitteltransporte sind nicht mehr sicher. Unordnung und Chaos überall, Gefängnisse natürlich überfüllt. Selbst das Oberkommando macht sich Sorgen. Nicht ganz ungefährlich, hier herumzulaufen. Ein Kamerad erzählte mir neulich, dass sich manche Griechen an geheimen Orten treffen und sogar in ihren Liedern über uns herziehen. Unsere Leute hatten schon den richtigen Riecher, als sie nach dem Einmarsch Athen als erstes Plattenstudios der "Columbia" zerstörten (14). Einer der Wenigen, der mit uns zusammenarbeitet, hatte über den Inhalt berichtet - unglaublich, was die sich herausnehmen:
"Sie ärgern sich und wollen mich nicht angezogen sehn
zerlumpt wollen sie mich, um sich daran zu freuen
Ich leg sie rein,
ich klau ihnen den Tank.
ich bin’s zufrieden, denn ich leg sie rein,
von jedem Deutschen-Auto klau ich den Kanister.
Benzin und Sprit, wir jagen’s ihnen ab,
denn sie haben viel Geld und uns geht's dreckig.
Spring auf, wirf den Benzinkanister runter und hau ab.
Die Deutschen jagen uns, aber wir kümmern uns nicht drum,
wir legen sie auf’s Kreuz, bis sie uns umbringen." (15)
Unversehens war Willi in einer dunklen Gasse gelandet, wo war er? Plötzlich von hinten ein schwerer Schlag auf den Kopf, er spürt, wie Hände hastig seine Taschen betasten ...
VI. Für die Lieder, gegen die Panzer?
Versprochen ist versprochen. Gerade hat George mit dem zypriotischen Verteidigungsministerium wegen der Kontonummer telephoniert, auf die er den Erlös seiner sechs Liveauftritte auf Zypern überweisen wollte (16). Für die Armee werden dringend neue Waffen benötigt. Obwohl er in einem Land lebt, in dem es ein beliebter Volkssport ist, dem Staat ein Schnippchen zu schlagen und Steuerzahlungen zu umgehen, kann er sich nicht der nationalen Pflicht entziehen. Gibt als guter Grieche sogar zusätzlich für einen guten Zweck, was sich in der Öffentlichkeit nicht schlecht verkaufen läßt.
Gerade jetzt, wo Hellas von Feinden umzingelt ist: Albanien, die Republik Skopje, die sich erdreistet, den Namen Makedonien zu beanspruchen und natürlich die Türkei. "Don't talk Greek is in Danger" (17) hatte er schon vor Jahren gesungen, als die Krise in Jugoslawien ihren Anfang nahm. Wie recht er hatte. Doch ein Grieche gibt sich nicht so leicht geschlagen. Selbst in Australien, wo er natürlich auch vor seinen Landsleuten auftrat, demonstrierten Zehntausend griechische Zyprioten gegen die türkische Besatzung auf Zypern (18).
In der ganzen Welt findet seine Stimme Gehör, denn nach Theodorakis ist er einer der Größten. Er war es, der mit seiner Neuvertonung der alten Lieder den Siegeszug des einstmals verpönten Rembetiko einleitete. Jahre später hatte er sein Repertoire bedeutend erweitert und spanische und afrolateinische Elemente in seine Musik aufgenommen. Jetzt durfte er sogar im neuen Athener Opernhaus zusammen mit den Philharmonikern Abende über die Geschichte der griechischen Musik mitgestalten (19). Selbst das biedere Bürgertum war von seinen Liedern begeistert. Das war nicht immer so. Die Nase hatten sie gerümpft, als seine Eltern 1922 von Kleinasien nach Griechenland flüchten mußten. Jahrzehntelang wollte niemand von denen ihre Musik hören. Die säuerlichen Gesichter hättet ihr sehen sollen, als er 1974 nach dem Sturz der faschistischen Junta zusammen mit Theodorakis das erste freie Konzert gab und sang: "Das Volk ist für die Lieder und gegen die Panzer!" (20)
Anmerkung I:
Eine "musikalische" Fortsetzung dieses Artikels über griechische Musik habe ich mit "Savina Yannatou: Keine 'schöne Folklore'!" im September 2019 in "Graswurzelrevolution" Nr. 441 veröffentlicht:
http://www.machtvonunten.de/musik-und-gesellschaft.html?view=article&id=116:savina-yannatou-keine-schoene-folklore&catid=14:musik-und-gesellschaft
Anmerkung II:
1. Nachzulesen in dem sehr empfehlenswerten Roman "Dreimal unter der Haube" von Kostas Tachtsis, Romiosini Verlag, 1984, S. 51
2. Lied unbekannter Urheberschaft im Smyrna-Stil (Smyrna= heute Izmir) in Eberhard Dietrich "Das Rebetiko, Teil II", Verlag der Musikalienhandlung Karl Dieter Wagner, Hamburg, 1987, S. 49
3. Nachzulesen in dem sehr empfehlenswerten historischen Roman über das Verhältnis von Griechen und Türken "Grüß mir die Erde, die uns beide geboren hat" von Didó Sotiriu (Romiosini Verlag, 1985).
4. Entnommen aus dem Textheft der CD "Fünf Griechen in der Hölle", erschienen bei Trikont.
5. Nargile = Haschischpfeife
6. Dem Textheft der bei Trikont erschienenen CD "Fünf Griechen in der Hölle" entnommen.
7. Rembetiko von Markos. Entnommen aus: Gail Holst "Rembetika. Musik einer griechischen Subkultur", Gerhardt Verlag, Berlin 1980, S. 111
8. Elias Petropolus, "Rebetologia. Monotone Schwätzerei in 24 Paragraphen", in: Lettre International, Nr. 8, 1990, S. 77
9. Ein Mangas (Plural: Manges) verachtete gesellschaftliche Normen, wurde oft der "Unterwelt" zugeordnet. ln vielen Fällen werden Rebetes und Manges gleichgesetzt.
10. Sembetiko von Tsitzanis. Aus: Gail Holst. "Rembetika. Musik einer griechischen Subkultur", Gerhardt Verlag, Berlin 1980, S. 119
11. Aus dem Texthelt der CD "Michael Jenitsaris: Saltadoros", erschienen bei Trikont. Jenitsaris gehört zu den wenigen Rembetikomusikern, die etliche antifaschistische Lieder komponiert und gesungen haben.
12. Hagen Fleischer in: Wolfgang Benz (Hg.) "Dimension des Völkermords", Oldenburg Verlag, München 1991, S. 254
13. Der türkische Sultan hatte im Jahre 1492 die von den ChristInnen mit dem Tode bedrohten andalusischen Juden und Jüdinnen mit seiner Flotte gerettet und sie in Saloniki und Istambul angesiedelt, wo sie seitdem lebten und ihre Religion und Sprache beibehalten konnten.
14. Michael Jenitsaris in: Armin Kerker (Hg.) "Griechenland – Entfernungen in die Wirklichkeit", Argument Verlag, Hamburg 1988, S. 158
15. Saltadoros, ebenda S. 155
16. "Golden Honour for Dalaras" in The Cyprus Weekly, 30. 7. – 5. 8. 1993
17. Vgl. die CD "The Greek Voice" von George Dalaras, erschienen bei Tropical Music
18. The Cyprus Weekly, 30. 7. – 5. 8. 1993
19. Presseerklärung von Tropical Music vom 30. 6. 1994
20. Armin Kerker im Textheft der CD "The Greek Voice" von George Dalaras
zurück zur Übersicht - Literatur und Politik