Aus: "Kultur und Umweltschutz Information" ("Die Naturfreunde" Westfalen), Nr. 1, 1989
"Demokratische Gemeinde" gibt strahlende "Energieimpulse"!
Nach Tschernobyl: SPD-Fachzeitschrift als Werbeträger für Atomkraft
"Demokratische Gemeinde" ist das Fachorgan der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) in der BRD. Es informiert monatlich über viele Themen, die mit der Kommunalpolitik zusammenhängen.
Im Magazinteil sind für jedes Bundesland zwei Seiten reserviert, um auf wichtige Entwicklungen in den Regionen einzugehen. Die Berichte über Ökologie und Umweltschutz nehmen in der Demokratischen Gemeinde (DG) einen durchaus akzeptablen Umfang ein. Das Glanzpapier, auf das die DG gedruckt wird, ist allerdings alles andere als umweltgerecht.
Über drei Jahre lang habe ich die DG gelesen. Im Folgenden will ich diese Zeitschrift hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt bewerten, wie sie auf die Atomkatastrophe in Tschernobyl und den zeitgleichen Störfall im THTR-Hamm reagiert und welche Schlußfolgerungen sie aus diesen Ereignissen gezogen hat.
Vor dem April 1986 hat die Atomindustrie in der Demokratischen Gemeinde nicht nur in ganzseitigen Anzeigen für Atomkraftwerke geworben, sondern der "Informationskreis Kernenergie" konnte auch mit seinen "EnergieImpulsen" seine eigene Zeitung regelmäßig einheften. Das hat sich auch nach Tschernobyl nicht geändert.
Da die "Demokratische Gemeinde" (DG) in der Mitte des Monats erscheint, konnte eine Reaktion des Blattes erst in der Juni-Ausgabe 1986 erwartet werden. Doch während in dieser Ausgabe der "Informationskreis Kernenergie" für ihr Extraheft zu Tschernobyl geworben hat und die Vereinigten Elektriziätswerke Westfalen (VEW) ganzseitig die Vorzüge des THTR anpries, gab es kein einziges Wort zu den Atomunfällen in der DG!
Diese ist vielmehr zur selben Zeit mit einer Imagekampagne für das Ruhrgebiet beschäftigt: "Ein starkes Stück Ruhrgebiet" prangt in großen Lettern auf der Titelseite. Zu einem Zeitpunkt, wo Hunderttausende - auch Sozialdemokraten - gegen Atomkraftwerke demonstrierten und blockierten, was das Zeug hielt. In der nun folgenden Juni-Ausgabe erschien ein lamentierender Bericht über "Informations-Pannen" und "Kompetenz-Wirrwarr", aber keine Stellungnahme zur Gefährlichkeit von Atomkraftwerken oder gar Stillegungsforderungen.
Hoffnungsfroh halte ich die Augustausgabe in den Händen, weil das Titelblatt verspricht, worauf ich schon lange gewartet habe: "Die Kommunalpolitiker müssen Flagge zeigen". Außer der beigehefteten Zeitung vom "Informationskreis Kernenergie " finde ich nur eine unpolitische Glosse mit dem Titel "Strom-Vögel nisten im Masten- Wald" und im NRW-Teil wird zustimmend zur Kenntnis gebracht, daß die VEW soviel für die einheimische Kohle tut.
Erst im September ist ein kümmerliches Flägglein zu sehen: "Atomenergie nur noch vorübergehend tragbar". In den folgenden Monaten wird in der DG vorzugsweise gegen Atomanlagen in CDU-regierten Ländern polemisiert‚ während der THTR-Störfall selbst auf den NRW-Seiten unerwähnt bleibt.
Große Sorgen machen sich die nordrheinwestfälischen Sozialdemokraten auf diesen Seiten allerdings über die Sicherheit von Fußballstadien. Der "Aktionskreis Kernenergie" darf in den "Energieimpulsen" weiterhin den Störfall im THTR-Hamm herunterspielen und von ihm angestrebtes Wohlverhalten der sozialdemokratischen Mandatsträger honorieren. Er kaufte eine Anzahl Taschenbücher "Kommunal 87" (Herausgeber: Ansgar Burghof, Chefredakteur der DG!!) auf und offerierte: "Bitte fordern Sie Ihr Exemplar kostenlos an."
Und zum Jahresende konnte Ansgar Burghof auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken: "Mein Dank gilt zugleich allen Geschäftsfreunden und Anzeigenkunden der Demokratischen Gemeinde für die gute Zusammenarbeit in diesem Jahr" (DG 12/86, S. 1).
Zur Jahreswende 1986/87 erscheint eine Sondernummer zum Fachseminar "Kommunale Energieversorgung"‚ in der die Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) für Wackersdorf auf zwei Anzeigenseiten Reklame machen kann. Gegner und Befürworter der Atomenergie kommen zu Wort. Scheinbar über den Dingen stehend, maßt sich das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Bundes-SGK (Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik)eine Schiedsrichterrolle zur Einhaltung der guten Sitten an, indem er einen Mitarbeiter des Öko-Instituts rügt. "Atomkraftwerksbe- treiber sind Terroristen" lautete ein paar Monate nach Tschernobyl seine etwas überspitzte Äußerung. Eine Zeitschrift, die ihre Seiten mit Anzeigen der Atomindustrie zupflastert‚ wirkt in der Pose des selbstgerechten Schiedsrichters schlicht lächerlich!
Ein Jahr nach Tschernobyl stand fest, daß es in NRW kein Volksbegehren gegen Atomanlagen geben wird. Die DG schrieb im NRW-Teil: "Der Verfassungsgerichtshof in Münster wies die Klage des Trägerkreises (...) gegen die Nichtzulassung durch die Landesregierung zurück" (DG 4/87, S. 102). Verschwiegen wurde, daß die Landes-SPD das Volksbegehren bekämpft und die zunächst unterstützenden Jusos zurückgepfiffen hatte.
Auch im November 1987 verbreitete die DG im NRW-Teil mehr Nebel als erhellende Analysen über die Atompolitik der Landesregierung: "Durch eine Änderung des Landesentwicklungsplanes hat die Landesregierung vier vorgesehene Standorte für Kernkraftwerke gestrichen: Bislich-Vahnum (Kreis Wesel), Drensteinfurt (Kreis Warendorf)‚ Greven-Ost (Kreis Steinfurt) und Datteln-Waltrop (Kreis Recklinghausen) (...). Die Regierung Rau will damit erreichen, daß keine Kernkraftwerke mehr im Land an Rhein und Ruhr gebaut werden" (S. 77). Die WAZ kommentiert am 9. 9. 1987 treffend: "Weitreichend kann man den Beschluß wahrlich nicht nennen, bleibt er doch in praktischer Hinsicht ohne jede Bedeutung. (...) Die Pläne derjenigen, die für die Nutzung der Kernenergie eintreten, durchkreutzt er keineswegs. Niemand hatte vor, auf diesen Flächen Kernkraftwerke zu bauen."
Im März 1988 ist die Anstandsfrist nach Tschernobyl vorbei. Nun darf auch im redaktionellen Teil von der DG auf drei Seiten Werbung für den THTR und seinen Export gemacht werden. Wen wundert es?
Im Dezember 1988 veröffentlichte die DG folgenden "Energie-Impuls": "Deutsche Reaktoren gehören zu den sichersten in der Welt. An dieser Sicherheitsphilosophie wird ständig gearbeitet.“ Hierbei macht die "Demokratische Gemeinde" ungeniert mit. Kein Wunder, daß bei einem solchen "Fachorgan" die Praxis sozialdemokratischer Kommunalpolitiker auf dem Gebiet der Energiepolitik in der Regel hundsmiserabel ausfällt.
Anmerkung:
Die Zeitschrift "Kultur und Umweltschutz Information" erschien vierteljährlich und wurde von dem Landesverband Westfalen der "Naturfreunde" herausgegeben. In den Jahren 1986 bis 1989 nutzte ich in jeder erschienenen Ausgabe die Gelegenheit, um in dem Blatt einer SPD-nahen Organisation die nuklearfreundliche Politik der sozialdemokratischen NRW-Landesregierung anzuprangern. Kein Wunder, dass "Kultur und Umweltschutz Information" von einigen besonders auf Regierungslinie befindlichen Sozialdemokraten nicht so gerne an die Naturfreunde-Mitglieder weitergeleitet wurde, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken ...
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