Aus: "Grünes Info", Monatszeitung des NRW-Landesverbands der Grünen, Nr. 7 – 8, 1985
"Die lange Hoffnung"
Film und Buch zum Thema Anarchismus in Spanien
"Die lange Hoffnung. Erinnerungen an ein anderes Spanien." mit Clara Thalmann und Augustin Souchy. Herausgegeben von der Medienwerkstatt Freiburg. Reisebeschreibung, Anarchismuseinführung‚ Interviews, Hintergrundinformation, sowie Collagen aus Filmtexten, Beiträge zum Film von Walter Moßmann und Dietrich Leder. 212 Seiten, 50 Fotos, 19,80 DM; Trotzdem Verlag, Grafenau
"In diesen Zeiten, in denen wir traurig orientierungslos der Restauration der Macht zuschauen, wird uns die eigene Wurzellosigkeit besonders klar. Nicht mehr betäubt von einer unausgesprochenen Gemeinsamkeit gegen die Herrschenden, mit ihrem Polizeiapparat, ihrem menschen- und umweltverachtenden Durchsetzungswillen. Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen. Ahnungslos im Woher und Wohin. Nichts, was uns davor bewahrt, sinnentleert auf bürgerliche Rückzugsbastionen verwiesen zu werden" (S. 78).
"Die lange Hoffnung" ist ein Buch und ein Film gegen die grassierende Geschichtslosigkeit. Eine Reflektion über die Reise des 91jährigen Augustin Souchy und der 75jährigen Clara Thalmann zu den Orten der sozialen Revolution, an der sie teilgenommen haben: Spanien 1936. Die Hälfte der Bevölkerung hat damals das Geld abgeschafft, Arbeitsteilung und Hierarchien aufgehoben, dafür Produktaustausch zwischen Stadt und Land organisiert und dabei Freiwilligkeit und Selbstorganisation praktiziertiziert: Anarchie.
Innerhalb von drei Jahren wurde dieses Experiment von innen durch die Kommunisten und von außen durch die Faschisten zerstört. Die Reisenden erfahren in Gesprächen mit Überlebenden Anarchisten, wie sie die 40jährige Repression unter Franco zubringen mußten: Hausdurchsuchungen, Denunziation, jahrzehntelanger Knast – das war die Normalität. Erinnerungen werden nur zögernd preisgegeben.
Das Gefühl sich verstecken zu müssen, hat sich tief in das Alltagsbewußtsein eingegraben. Von den damaligen eine Million CNT-Mitgliedern (Anarchosyndikalisten) sind heute keine 50.000 mehr übriggeblieben. Sie versuchen sich jetzt den neuen Bedingungen entsprechend zu organisieren, ohne ihre alten Grundsätze aufzugeben: Förderalismus, direkte Aktion, dezentraler Gesellschaftsaufbau.
Die Grünen, die diese Elemente teilweise einmal aufgenommen haben, interessieren sich nicht so sehr für die Kontinuität dieser politischen Bewegung. Alte Diskussionen und Dispute erscheinen ihnen als völlig neu, als wären sie nie vorher dagewesen. Alte Fehler werden wiedergemacht. Wer nicht zum realpolitisch gestimmten Spießer werden will und Hoffnung und Kampf für eine herrschaftsfreie Gesellschaft noch nicht aufgegeben hat, erhält durch dieses Buch wichtige Impulse und Hinweise.
Anmerkung
Der komplette 86minütige Film "Die lange Hoffnung" ist in insgesamt neun Folgen bei "You Tube" zu sehen:
http://www.youtube.com/watch?v=YJtomKNCEj8
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