Aus: "Schwarzer Faden", Nr. 8, 1982
Alemantschen, Band 2
Die Redaktion von "Alemantschen" befindet sich auf der Suche nach einer Lebensweise, in der ein umsichtiger Umgang mit der Erde und die Beziehungen zwischen den Menschen zueinnander passen. Sie stellt Überlegungen an, welche Kultur- und Organisationsformen eine Lebensweise ohne Geld und Staat möglich machen.
In den häuslich-dörflichen Agrargesellschaften, wie sie während der Jungsteinzeit existiert haben oder bei einigen heutigen Urbevölkerungen noch bestehen, sehen sie einen Faden, an den es sich anzuknüpfen lohnt. In mehreren Beiträgen werden verschiedene Aspekte des Übergangs von der Jäger- und Sammlergesellschaft zur Agrargesellschaft beleuchtet. Die Rolle der Frau in Verbindung mit der Fruchtbarkeit der Erde und die Frage nach der Entstehung der Macht stehen hier im Vordergrund.
Insgesamt erhält der Leser einen vorzüglichen Einblick in die Entwicklung und Bedeutung des Ackerbaus. Allerdings liegen die Beiträge an manchen Stellen deutlich Abseits von den tagespolitischen Diskussionen. Einerseits bringt ein solches Vorgehen den Vorteil einer in die Tiefe gehenden Analyse. Andererseits verstärkt es aber auch die Gefahr‚ daß sogar um ländliche Alternativen bemühte ihre heutigen Probleme in einigen Artikeln nur schwer wiederfinden.
Neue Denkansätze bedürfen‚ wenn sie nicht zur Wirkungslosigkeit verurteilt sein wollen, der ständigen Auseinandersetzung mit real agierenden Bewegungen. In diesem Falle mit der sich langsam formierenden agrarpolitischen Opposition zum Bauernverband und den alternativen Landbauvereinigungen.
Der Beitrag über das bedrohte Erbe der Kulturpflanzen durch die Saatgut-Multis spannt einen Bogen zu dem zweiten zentralen Thema: Es definiert und bewertet die verschiedenen Theorien (Modernisierungstheorie, Dependencia-Theorie), mit denen die Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft der 3. Welt und ihre Abhängigkeit von den Metropolen erklärt wird. Die eigenen Vorstellungen laufen auf eine für notwendig gehaltene Abkehr vom Geiste der Ökonomie in einer Nahrungs-Selbstversorgergesellschaft hinaus, ohne jedoch eine bis ins letzte ausgefeilte Strategie zur Erreichung dieses Zieles anbieten zu wollen.
Bei den "Schwierigkeiten bei der Alpenüberquerung" wird der autonomeFabrikkampf der italienischen Arbeiter als allumfassender Widerstand gegen die Durchökonomisierung der Arbeit verstanden und dem "Traumkitsch der Gorz´schen Dualwirtschaft" eine Abfuhr erteilt.
Eine geschmackvolle Aufmachung und zwei schöne Gedichte helfen mit, den schwergewichtigen Inhalt halbwegs ohne Kopfschmerzen zu verdauen.
"Alemantschen" Nr. 2, 142 Seiten, 9 DM. Bezug: Meinhard Rohner, Breuelgasse 22, 6457 Maintal 2.
Anmerkung
"Alemantschen – Materialien für radikale Ökologie. Ökologischer Landbau, Bookchin und die Wirtschaftsschrumpfung"
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