Aus: "Info für gewaltfreie Organisatoren" Nr. 29, August 1976
Anti-Atom-Zeltlager in Uentrop
Am Sonntag, den 8. August 1976 trafen wir uns auf einer schönen Wiese, die uns glücklicherweise noch am Tag zuvor ein Mitglied der Landjugend zur Verfügung gestellt hatte. Alle Münsteraner sind mit dem Fahrrad gekommen. Auf einem Fahrradanhänger hatten sie ein schönes Transparent befestigt: "Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv".
Zuerst haben wir acht Zelte aufgestellt und drei große Hinweisschilder an den Zufahrtsstraßen befestigt. Die ersten Sonntagsspaziergänger und Bauern sahen sich erstaunt das Schauspiel an. Als wir abends zusammensaßen, kamen die ersten Besucher. Am nächsten Tag arbeiteten wir ein Flugblatt aus, um die einheimische Bevölkerung damit auf uns aufmerksam zu machen. Die Hinweisschilder waren verschwunden, was später noch öfters geschah. Wahrscheinlich haben irgendweilche VEW-Leute oder ihre Symphatisanten sie entfernt.
Am Abend kamen die älteren Aktiven aus den Bürgerinitiativen vorbei und brachten Wasserkanister, Lebensmittel, Holz für Tische und Bänke. In den nächsten Tagen wurde die Presse auf uns aufmerksam. In mehreren großen Berichten wurde regional und überregional das Zeltlager vorgestellt. Auch Redakteure vom Westdeutschen Rundfunk informierten sich bei uns. Sie wollen im Herbst eine Serie über Bürgerinitiativen senden. Einige Leute nahmen Kontakt zu den Anglern in der Gegend auf. Als wir ihnen sagten, dass sich das Wasser durch den geplanten Bau des zweiten Atomkraftwerkes noch mehr erwärmen würde, freuten sie sich, weil sie glaubten, die Fische würden dann noch besser wachsen.
Wir beschlossen, ein spezielles Flugblatt für die Angler zu machen. Wir besorgten uns zwei Druckmaschinen, um auf solche Vorkommnisse besser reagieren zu können. In diesen Tagen hatten wir auch das erste mal bei einigen Bauern gearbeitet. Einer von ihnen gab uns Tipps für das Verhalten gegenüber der Bevölkerung: Die Leute immer ausreden lassen und sich nicht aufdrängen. Und wenn sie keine Lust zum Diskutieren haben, es erstmal sein lassen.
Als wir in den nächsten Tagen u. a. zum Einkaufen durch die Dörfer fuhren, standen immer Menschen um unseren Fahrradanhänger herum und diskutierten. Einige Bauern brachten auch schon mal Obst, Eier oder Kartoffeln ins Zeltlager.
Wenn wir abends zusammensaßen, war es nicht immer einfach, auf die oft unterschiedlichen Bedürfnisse der Anwesenden (z. B. Jugendliche aus Hamm oder ältere Einheimische). Doch alle freuten sich, wenn wir zusammen mit Musikern der Gruppe Fiedel Michel Anti-AKW-Lieder gesungen haben.
Mit der Zeit machten auch Nichtcamper Vorschläge, was im Zeltlager gemacht werden könnte. Zum Beispiel Rollenspiele, Kinderfeste usw. – Am ersten Samstag wurde Nachts ein Fackelzug zum nahen VEW-(Kohle-)Kraftwerk gemacht, wodurch langsam Bewegung ins Zeltlager kam. Inzwische steigern sich die Aktivitäten trotz ständig wechselnder Camper immer mehr. Es werden öfter Besuche bei den Bauern gemacht als vorher. Auch die Besucherzahl steigt. Waren es bei der Versammlung am ersten Wochenende fünfzig Mensche, so kamen danach mehr, was auf eine höhere Zahl an den kommenden Wochen hoffen lässt.
Es stehen jetzt zwanzig Zelte, dazu Schautafeln und Transparente. Die Büros, das Bad und der "Donnerbalken" sind im nahen Wald. Ihr könnt uns jederzeit mal schreiben oder – was noch besser wäre – selbst mal vorbeikommen: Zeltlager der Bürgerinitiativen gegen das Atomkraftwerk Uentrop, 4701 Frielinghausen, Am Weringhof.
Anmerkung
Weitere Artikel zum Zeltlager und gewaltfreien Aktionen während dieser Zeit sind hier einzusehen:
"Zeltlager gegen AKW. Der Beginn des Widerstandes gegen den THTR in Hamm":
http://www.machtvonunten.de/lokales-aus-hamm.html?view=article&id=317:zeltlager-gegen-kkw&catid=21:lokales-aus-hamm
"Rückblick: 15 Jahre Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm"
http://www.machtvonunten.de/lokales-aus-hamm.html?view=article&id=307:rueckblick-15-jahre-buergerinitative-umweltschutz-hamm&catid=21:lokales-aus-hamm
"Bürgerinitiative Umweltschutz: 25 Jahre Apo in Hamm"
Zum "Info für gewaltfreie Organisatoren":
https://www.reaktorpleite.de/thtr-rundbrief.html
Zeitungsartikel:
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