Aus: Graswurzelrevolution, Nr. 254, Dezember 2000
CDU: Leithammel Laurenz
Der neue CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer und der GWR-Autor Horst Blume begannen ihre ersten politischen Gehversuche Ende der 60er/ Anfang der 70er Jahre im gleichen Stadtteil Hamm-Uentrop, dem Standort eines Atomkraftwerkes. Der Eine als Mitglied der Jungen Union, der Andere als Jungsozialist. 15 Jahre später trafen sie als recht gegensätzlich eingestellte Ratsmitglieder der Stadt Hamm aufeinander.
Seine politischen Konkurrenten attackierte Laurenz Meyer schon in frühen Jahren mit besonderer Penetranz. Die NPD, die 1969 mit bundesweit 4,4 % der Wahlstimmen die entscheidenden Prozentpunkte für ein Weiterregieren der CDU wegnahm, war in dieser Zeit Objekt des jungen Eiferers. "Als Oberschüler, gegen Ende der 60er Jahre, gebärdete sich Meyer als Störenfried auf einer NPD-Versammlung mit Alfred von Thadden. Dessen Rede unterbrach der damalige Twen immer wieder durch laute Zwischenfragen, so lange, bis von Thadden diesen unbequemen Geist von seinen braunen Saalordnern an die Luft befördern ließ." Diese Geschichte, 1993 in "Landtag intern" zum Besten gegeben, mußte Anfang der 90er Jahre nach einer Welle nationalistischer Anschläge auf das Leben von Ausländern dazu herhalten, Meyer als politischen Saubermann jenseits aller als extremistisch verschrieener Ideologien zu präsentieren.
Schnell machte Meyer als stellvertretender Kreisvorsitzender der Jungen Union Hamm und als JU-Landesvorstandsmitglied in der CDU Karriere und wurde 1975 in den Stadtrat von Hamm gewählt, in dem er bis 1995 sein Mandat innehatte. Die früheren Dissonanzen im Umgang mit der NPD können schon in seinen jüngeren Jahren nicht darüber hinwegtäuschen, daß er - zutiefst betrübt durch Deutschlands "Teilung" - ein Kind des Kalten Krieges auch dann noch blieb, als die Blockkonfrontation allmählich einer "friedlichen Koexistenz" wich. Als jugendlicher Widersacher der vielen Jusos und Nach-68er-Linken wurde er innerhalb der langsam verkalkenden CDU dringend gebraucht. Sein Engagement gegen die Gesamtschule, "unsinnige Verkehrspolitik" und vor allem gegen "ideologisch begründete Projekte" nahmen immer öfter Züge eines Kulturkampfes an. Frech und rhetorisch geschickt nutzte er in der Kommunalpolitik die Schwächen des politischen Gegners gnadenlos aus.
Atomkraft-Lobbyist
Doch populistische Lokalpolitiker gibt es genug und sind nichts besonderes. Was zu seinem Aufstieg entscheidend mit beigetragen hat, ist seine enge Verbindung mit einem bedeutenden Exponenten wirtschaftlicher Macht. Als Volks- und Betriebswirtschaftler ging Meyer beruflich zu einem der größten Stromproduzenten Deutschlands, zu den Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW).
Hier wurde er Hauptabteilungsleiter in der Hauptverwaltung Dortmund. Mit dem Insiderwissen eines großen Energiekonzerns versehen, mischte er sich intensiv in die Energie- und Wirtschaftspolitik ein. Die VEW waren nicht nur die Betreiber von Kohlekraftwerken, sondern auch von dem Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop, der zeitgleich mit der Katastrophe in Tschernobyl einen beachtlichen Störfall vorzuweisen hatte. 1989 wurde er stillgelegt sein radioaktiver Abfall später nach Ahaus gebracht. Klar, daß Meyer als parlamentarischer Arm der Atomindustrie im Rat der Stadt Hamm und ab 1990 auch im NRW-Landtag auftrat. Und das tat er äußerst geschickt.
SPD-Dompteur
In einer Situation, in der die Subventionen für die Steinkohle einerseits und der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken in den 80er Jahren andererseits zur Disposition standen, erwies sich Meyer als kleine "Wunderwaffe" der Atomindustrie. Die SPD stand nur äußerst halbherzig zu ihren Ausstiegsbeschlüssen aus der Atomkraft und mußte vor allen Dingen auf die Bergleute und ihre sogenannte Gewerkschaft "IGBE" Rücksicht nehmen. Diese hatte sich seit Jahrzehnten auf Gedeih und Verderb den großen Energiekonzernen ausgeliefert, um durch Wohlverhalten möglichst viele Bergbauarbeitsplätze zu retten. Deswegen war die IGBE jahrelang eine der Hauptstützen der "Kohle und Kernenergie" - Ideologie und verfügte über sehr großen Einfluß in der NRW-SPD.
Gleichwohl wurden die Bergleute zu einer Geisel in der Hand des Energiekonzerns VEW, dessen Interessenvertreter Laurenz Meyer war. Die Hammer Lokalzeitung „Westfälischer Anzeiger“ schrieb hierzu 1987 zutreffend: "... der CDU-Politiker hatte rhetorisch geschickt und über weite Strecken genüßlich die SPD in die Klemme manövriert. (...) Der Christdemokrat unterstützte vehement die Gewerkschaft - und damit auch ihr Ja zum Uentroper Meiler."
Meyer, in dem sich die (bundes)politische und ökonomische Macht in einer Person bündelte, drohte ganz offen: Entweder ihr Sozialdemokraten sorgt für einen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken oder aber die Energieversorger werden noch mehr Zechen schließen als geplant. Was war widerlicher: Die Frechheit Meyers, dies unumwunden auszusprechen oder die kriecherische Unterwürfigkeit der SPD-Parlamentarier, dem keinerlei Widerstand entgegenzusetzen? Ich weiss es nicht.
Es gab in den 80er Jahren nur einige wenige Situationen, in denen Meyer sich in der Öffentlichkeit merklich zurückhielt. Immer dann, wenn ein- oder zweihundert friedliche Demonstranten die Ratssitzungen besuchten und für die Stilllegung von Atomkraftwerken demonstrierten, zog er es vor, keine direkte Angriffsfläche zu bieten und schwieg ausnahmsweise. Ansonsten kannte er trotz seiner offensichtlichen Befangenheit als Konzernlobbylist keinerlei Scheu sich zu Themen zu äußern, die in direktem Zusammenhang mit seinem Hauptberuf standen. Die SPD-Parlamentarier wurden von ihm genüßlich zu Bittstellern für Kohlesubventionen degradiert und zuckten merklich zusammen, wenn seine Stimme einen drohenden Unterton anschlug.
Auch zehn Jahre nach Tschernobyl verkündete Meyer während der Landtagsdebatte: "Verzicht auf Kernenergie würde Sicherheitsverlust bedeuten" und drohte ganz offen, daß bei einer von SPD und Grünen vorgeschlagenen Energiesteuer "wichtige Bestandteile der nordrheinwestfälischen Industrie nach einer solchen Steuerkonzeption ihre Standorte ins Ausland verlagern würden."
Der Energiekonzern, für den Meyer arbeitet, hat mit dem THTR über sechs Milliarden DM in den Sand gesetzt und jahrzehntelang wird die Bevölkerung noch den Stilllegungsbetrieb bezahlen müssen. Dies ist für Meyer allerdings kein Grund, den Mund nicht so voll zu nehmen. Nein, er stellt die Wirklichkeit geschickt auf den Kopf und prangert vehement die angeblichen „Dauersubventionen“ für die Windkraft an! Für Menschen, die sich mit der komplizierten Materie nicht intensiver auseinandergesetzt haben, klingen ein paar dubiose aneinandergereihte Zahlen und seine einfachen, frechen Behauptungen offensichtlich einleuchtend.
Wille zur Macht
Als Meyer Anfang 1999 Helmut Linssen als Vorsitzenden der NRW-CDU-Fraktion im Landtag ablöst, verkündet er unverblümt, sein Ziel für die Landtagswahl:"Wir wollen wieder an die Macht." Nicht nur angeblich verpulverte Millionen für ein Ökozentrum bestimmen nun seine Debattenbeiträge. Jetzt versucht er sich wieder stärker als Law- and Order-Propagandist zu betätigen und fordert mehr Polizei „besonders für Fußgängerzonen oder vor Bahnhöfen, wo oft ein schwunghafter Drogenhandel läuft. Kein ehrlicher Bürger muß sich bedroht fühlen, wenn ein Einkaufzentrum, wenn eine Fußgängerzone oder ein Bahnhofsvorplatz per Video überwacht wird."
Sicherlich hatte Meyer in den vergangenen Jahren als wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion allmählich einen höheren Bekanntheitsgrad in NRW erreicht. Seinen weiteren Aufstieg in NRW und letztendlich bundesweit verdankte er zum Teil dem Skandal um das Oberhausener Trickfilmstudio HDO im Jahre 1998. Als ganz gewiß nicht neutral agierender Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses forschte er nach dem Verbleib von 100 Millionen DM staatlicher Gelder, die die Sozis in ihrer Nachlässigkeit verplempert hatten.
Als Glücksfall für Meyer erwies sich die Verwicklung von ehemaligen SED/PDS-Größen in diesen „Finanz-Skandal mit dunkelrotem Hintergrund“, wie er es so gerne nannte. Ausgerechnet der rechten Clemens-SPD eine stille Kumpanei mit der PDS zu unterstellen ist zwar ziemlich absurd, aber es erwies sich als äußerst medienwirksam und einleuchtend für etwas einfältige Gemüter. Die Art und Weise, wie er diesen Skandal für die CDU ausschlachtete, empfahl ihn nachhaltig für höhere Aufgaben.
Doch mitten im Vorwahlkampf in NRW fiel Meyer in seiner Funktion als NRW-Schatzmeister durch intensive Kontakte zur skandalträchtigen Westdeutschen Landesbank auf. Diese überwies nach Meyers Anforderung ("Sie denken an ihre Spende...?") einen "fünfstelligen Betrag" und "Die Woche" verkündete spitz: "Für den CDU-Mann, der die Annehmlichkeiten der Landesbank für die Sozis so gerne geißelt, eine pure Selbstverständlichkeit: ‘Ich hab mir gedacht, die tun was für die SPD, dann können die auch was für uns tun’." - Wer sich zu solchen Äußerungen hinreißen läßt, ist leicht angreifbar und könnte durch das unbekümmerte und schnoddrige Hinausposaunen fragwürdiger Praktiken leicht ins Stolpern geraten.
Populismus pur
Am 21. 1. 2000 gab Meyer der rechtsgerichteten "Jungen Freiheit" ein Interview und biederte sich damit kurz vor den Landtagswahlen unverholen rechten Stimmungsmachern an. Er spricht sich für eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei Einbürgerungsverfahren nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht aus und fordert zusätzlich Deutschprüfungen. "Jemand, der Deutscher werden will, sollte auch Deutsch können. Da wäre ich eher auf der bayrischen Linie, ja."
Während Meyer bei Ausländern gleich nach dem Verfassungsschutz ruft, berücksichtigt er den Verfassungsschutzbericht der NRW-Landesregierung bei der Auswahl seiner eigenen Multiplikatoren nicht. Hier wurde der „Jungen Freiheit“ auf insgesamt acht Seiten Fremdenfeindlichkeit, Solidarisierung mit rechtsextremen Straftätern und Parteinahme für Volksverhetzung vorgeworfen. Wenn jedoch nicht nur der SPD-Staatsminister Christoph Zöpel, sondern auch die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, zwischenzeitlich dieser Zeitschrift lange Interviews geben, dann kann auch ein Laurenz Meyer sicher sein, daß ihm hieraus kein politischer Schaden entsteht. - Doch zunächst wurde, dem CDU-Spendenskandal sei Dank, der CDU-Sieg bei den NRW-Landtagswahlen im Mai 2000 vergeigt und eine mittlere Depression machte sich auch bei einem notorischen Wadenbeißer wie Meyer breit.
"Stolz, ein Deutscher zu sein"
Daß die CDU aufgrund ihrer Spendenskandale nicht so ohne Weiteres in der Lage sein würde, die parlamentarische Hegemonie zurückzuerobern, muß Laurenz Meyer noch kurz vor der Landtagswahl geahnt haben, als er der TAZ ein Interview gab. Ohne von dieser Zeitung kritisch hinterfragt zu werden, brachte er "Volksabstimmungen" als „Elemente direkter Demokratie“ in die Debatte ein. Die dahinterstehende Absicht ist ziemlich offensichtlich. Meyer will ganz eigennützig die Kampagnenfähigkeit der CDU erhöhen und "Volksabstimmungen" als Instrument und Zwischenschritt zur Wiedererlangung der politischen Macht nutzen. Seine aktuelle Idee, die CDU-Mitglieder über Internet zu befragen, ist in einem ähnlichen Licht zu sehen. Seine Äußerung im "Focus", "... wir dürfen uns nicht zu fein sein, uns um die Stammtische zu kümmern", zeigt so eindeutig, in welche Richtung sich der neue Generalsekretär bewegen will, daß sogar innerhalb der CDU Befürchtungen laut werden, Meyers Fähigkeiten für die CDU umsichtig und strategisch klug zu denken, wären etwas beschränkt.
Doch der Mann, der so gerne zum "Säbel" greift und zur "Attacke" gegen das "rotgrüne Chaos" bläst, kommt der FAZ gerade recht und wird gebührend als neuer Hoffnungsträger und in ganz und gar kriegerischer Manier als „Speerspitze“ auf der Titelseite gefeiert. "Die Welt" bezeichnet Meyer etwas schlichter als "Mann fürs Grobe" und hebt seine "fröhliche Brutalität"(!) hervor.
Und die "Junge Freiheit", die in ihrer Ausgabe Nr. 45 den altbekannten Antisemitismus wiederaufleben läßt, indem sie die Briefe an deutsche Unternehmen mit der Bitte um Zwangsarbeiter-Beiträge als "Schnorrerbriefe" bezeichnet, genau diese Zeitschrift zitiert in der gleichen Ausgabe jubelnd Meyers Bekenntnis "Ja, ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" in der Überschrift! Von soviel Ermutigung aus der CDU-Spitze für eine alte NPD-Parole haben die Rechten in diesem Land bisher nur träumen können.
Ob der von der CDU in die gesellschaftliche Diskussion eingebrachte Begriff einer "deutschen Leitkultur" nun wortwörtlich Eingang in die CDU-Positionspapiere findet oder ein klein wenig umschrieben wird, ist letztendlich nicht so wichtig. Entscheidend ist, daß hier mit Hilfe nationalistischer Demagogie eine Partei versucht, zurück an die Fleischtöpfe der Macht zu gelangen. Selbst wenn Leithammel Meyer auf dem glatten Berliner Parkett irgendwann einmal ausrutschen sollte, so wurden durch die neuesten strategischen Schachzüge der CDU wieder einmal rechte Stammtischparolen breiten Bevölkerungskreisen als völlig legitime Meinungsäußerung nahegebracht. Und es wird Menschen geben, die dem Gesagten Taten folgen lassen.
Nachbemerkung:
Inzwischen wissen wir, keine vier Jahre nach Veröffentlichung dieses Artikels ist Laurenz Meyer 2004 auf dem politischen Parkett ausgerutscht und musste als Generalsekretär der CDU zurücktreten. Bei der Bundestagswahl im Jahr 2005 erhielt er in seinem Heimatwahlkreis Hamm blamable 32,8 %. - Die vielen politischen Stationen Meyers von Anfang bis Ende und darüber hinaus sind in insgesamt 21 größeren oder kleineren durchnummerierten Artikeln als eigenständige Serie im THTR-Rundbrief auf der Homepage www.reaktorpleite.de nachzulesen. Der (vorläufig) letzte Artikel befindet sich im THTR-RB Nr. 130:
http://www.reaktorpleite.de/nr-130-maerz-10.html
und hier der vorletzte Artikel in "THTR-RB" Nr. 126 (immer ganz unten):
http://www.reaktorpleite.de/nr.-126-april-09.html
Siehe auch meinen Leserbrief in "Westfälischer Anzeiger" (WA): Rechter Scharfmacher Laurenz Meyer
http://www.machtvonunten.de/leserbriefe.html?view=article&id=365:rechter-scharfmacher-laurenz-meyer&catid=24:leserbriefe
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