Aus: "Westfälischer Anzeiger" (WA), Lokalteil Hamm, 13. 5. 2004 (Leserbrief)
Lippesee: Unhaltbare Visionen
Herr Vornholt hat in seinem Kommentar den Befürwortern einer nachhaltigen Auenentwicklung "Unverfrorenheit", "Inszenierung", "Unseriösität" und fast schon "Beleidigungen" vorgeworfen. Der Ärmste kann einem wirklich leid tun, wo er doch als Chefredakteur von Hamms Monopolzeitung pausenlos der geballten Meinungsmache Andersdenkender völlig machtlos ausgesetzt ist.
Der ungebremste Optimismus der Lippesee-Befürworter hat schon nach einem unerwartet hohen Zulauf bei dem monatlichen Sonntagsspaziergang und einigen landespolitischen lrritationen einen merklichen Knacks bekommen. Ganz so rosig scheint es um die Realisierungschancen des Lippesees nun doch nicht auszusehen. Und deswegen ist die Stimmung bei einigen Unterstützern des Projekts gereizt.
Vornholt selbst würdigt mit seinen verbalen Ausfällen das Thema naturnahe Auenentwicklung zu einem billigen Wahlkampfklamauk herab, was der Sache gänzlich unangemessen ist. Es gefällt ihm überhaupt nicht, dass es diesmal ausnahmsweise die Grünen waren, die (hoffentlich) ihre landespolitischen Einflussmöglichkeiten zu nutzen wussten. CDU und SPD dürfen das selbstverständlich immer, aber wenn das jeder machen würde, geht das natürlich zu weit und ist nach Ansicht von Vornholt "der Gipfel der Unverfrorenheit". Gut, das er das so klar sagt.
Das Thema Natur- und Umweltschutz in der Lippeaue ist viel zu wichtig, um es lediglich einer Sechs-Prozent-Partei zu überlassen. Die Bürgerinitiative "Aue statt Lippesee" ist deswegen strikt überparteilich und lässt sich durch niemanden parteipolitisch vereinnahmen. Auch unter den Wählern von CDU und SPD gibt es sehr viele Menschen, denen eine intakte Umwelt und eine lebenswerte Heimat mehr wert ist, als Betonuferkanten und 1800 Parkplätze in der Lippeaue.
In den nächsten Monaten und Jahren werden wir Punkt für Punkt nachweisen, dass den Hammer Bürgern mit dubiosen Arbeitsplatzprognosen und in Aussicht gestellten Bade-, Angel- und Wassersportmöglichkeiten das Blaue vom Himmel versprochen wird und aus durchsichtigen Motiven heraus verschiedene Interessengruppen mit größtenteils unhaltbaren "Visionen" geködert werden sollen.
Wir werden den Lippesee-Lobbyisten nicht den Gefallen tun, die Hände in den Schoß zu legen, während sie selbst schon längst versuchen, hinter den Kulisssen mit aller Macht Fakten zu schaffen und bereits im Vorfeld viele Millionen Euro für ein unsinniges Projekt verschwenden.
Nachbemerkung:
Mit einer irrsinnig aufwendigen Propaganda- und Materialschlacht sollte der Hammer Bevölkerung ein künstlicher Lippesee in der Lippeauenlandschaft schmackhaft gemacht werden. Nutznießer wären Bauunternehmer und allerlei Spekulanten geworden.
Sprachrohr der Befürworter war das Monopolblatt "Westfälischer Anzeiger" (Ippen-Gruppe), das seine Position rücksichtslos ausnutzte und gegen die Lippesee-GegnerInnen Front machte, Chefredakteur Vornholt vorneweg. Darüberhinaus überschwemmten Stadtverwaltung und Lippeverband die Hammer Haushalte auf Kosten der Steuer- und Beitragzahler dutzendweise mit teuren bunten Werbeprospekten. Sogar das kommunale "Hamm-Magazin" muste als Einpeitscher herhalten. In der heißen Phase vor dem Volksentscheid stand in der Hammer Innenstadt an jedem dritten Straßenbaum oder Laterne ein Großplakat der Lippeseebefürworter.
Trotz alledem machten am 18. Juni 2006 genau 56,9 Prozent der Bevölkerung einen Strich durch die Rechnung der Herrschenden und lehnten beim durchgeführten Volksentscheid den Bau des Lippesees ab.
Da jede Protestbewegung einen sozialen Ort benötigt, um sich zu treffen und ihren Unmut zu artikulieren, schlug ich zwei Jahre vor dem Volksentscheid vor, in Anlehnung an die monatlichen "Sonntagsspaziergänge" am THTR in Hamm-Uentrop einen Sonntagsspaziergang in genau jenen schönen Lippeauen zu veranstalten, die zerstört werden sollten. Die Anregung wurde aufgenommen und die Sonntagsspaziergänge entwickelten sich zu wirkungsvollen Demonstrationen und zu Orten intensiver Kommunikation, die sogar die Hammer Monopolpresse nicht ganz verschweigen konnte.
In dem Artikel "Hammer können jetzt sogar rechnen" habe ich mich im THTR-Rundbrief Nr. 108 (2006) ebenfalls mit diesem Thema befasst:
http://www.reaktorpleite.de/nr.-108-august-06.html
In meinem fiktiven Brief des Hammer Oberbürgermeisters an den Wolfgangsee-Liebhaber Helmut Kohl wurde Letzterer zur Einweihungsfeier des Lippesees eingeladen. Ich habe ihn auf einigen Protestveranstaltungen vorgetragen:
Wenn jetzt im Kommunalwahlkampf 2014 der Spitzenkandidat der FDP seine abgewirtschaftete Partei mit seiner erneuten Forderung nach dem Lippeseebau wieder in den Rat der Stadt Hamm einziehen lassen will, so ist dies ein sehr durchsichtiges Manöver. Mit ein oder zwei auf diese Weise möglicherweise ergatterten FDP-Mandaten will die CDU/FDP-Koalition weiterregieren.
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