Aus: "Graswurzelrevolution" Beilage "Libertäre Buchseiten" Nr. 487, März 2024

Topographie der Shoa in Breslau/Wrocław

Tim Buchen / Maria Luft (Hg.): Breslau / Wrocław 1933–1949. Studien zur Topographie der Shoah, Hrsg., Neofelis VerlagAls ich 2007 Breslau besuchte, suchte ich den in einem Außenbezirk liegenden Neuen Jüdischen Friedhof zunächst vergeblich. Weil mir sogar die Einheimischen nicht weiterhelfen konnten, wurde mir bewusst, dass auch Teilen der erst 1945 zugezogenen polnischen Bevölkerung im heutigen Wrocław die deutsch-jüdische Geschichte dieses Ortes nicht bekannt ist.

Das Buch "Breslau/Wrocław 1933 – 1949. Studien zur Topographie der Shoa" macht in 27 Beiträgen die von den Nazis zerstörten und damit im Stadtbild nicht mehr existierenden Orte jüdischen Lebens wieder sichtbar und dokumentiert die dramatische Geschichte der drittgrößten jüdischen Gemeinde Deutschlands.

 

NS-Propaganda in Breslau

Breslau liegt in Schlesien und war nach der NS-Ideologie eine "Grenzregion", von der aus nach 1933 raumpolitische Forderungen gegenüber Polen artikuliert wurden. Eine besondere Rolle nahm hierbei der in Breslau stationierte Radiosender mit der grenznahen Zweigstelle in Gleiwitz ein. Während die jüdische Bevölkerung ihre Radios abgeben musste und somit aus dem Kommunikationsraum der "Volksgemeinschaft" ausgeschlossen wurde, errichtete Breslau als erste Stadt in Deutschland flächendeckend einhundert fünf Meter hohe Reichslautsprechersäulen, mit denen die Menschen mit Propaganda beschallt wurden. Wenige sind heute noch erhalten, allerdings ohne erklärende Hinweistafeln.

In Breslau existierten zahlreiche unterschiedliche jüdische Vereine und gemeinnützige Einrichtungen. Dem hier besonders starken deutschpatriotischen "Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" widmet dieses Buch einen eigenen Beitrag. Er weist darauf hin, dass dieser Centralverein sogar noch zwei Monate nach der NS-Machtergreifung "feierlich Verwahrung" gegen "angebliche Sensationsberichte" im Ausland über Ausschreitungen gegen Juden und Jüdinnen einlegte. Und sich nach Ansicht des Autors damit "zum Handlanger des nationalsozialistischen Regimes" machte. Dieser Centralverein musste in einem schmerzhaften Prozess die folgenden Jahre erfahren, dass selbst nationalistische Anbiederung nicht vor Verfolgung und Vernichtung schützte.Neuer Jüdischer Friedhof in Breslau/Wrocław im Jahr 2007, Foto von Horst Blume

Kampf um Würde bis zuletzt

Seit 1933 wurde aufgrund der weitergehenden Verbote im öffentlichen Raum die jüdische Lebenswelt immer kleiner und beengter. Ausführlich wird im Buch dargestellt, dass Jüdinnen und Juden trotzdem versuchten, ihre Würde zu bewahren, indem sie ihr Leben so gut es ging weiterführten. Ausgrenzungserfahrungen bewirkten ein verstärktes Geschichtsbewusstsein. Sogar noch am 19. November 1933 war es möglich, das Jüdische Museum mit einer umfangreichen Dauerausstellung über jüdisches Leben in Schlesien zu eröffnen. Museen, Bibliotheken, Synagogen und jüdische Friedhöfe wurden zu Rückzugsräumen, in denen sie sich zunächst noch relativ geschützt aufhalten konnten. In der eigenen Wohnung fand aufgrund zunehmender Gewalttätigkeiten durch die deutsche Mehrheitsbevölkerung der größte Teil des Lebens statt, bis nur noch der "Tagebuchraum als persönliche Insel" übrigblieb.

Neuer Jüdischer Friedhof in Breslau/Wrocław im Jahr 2007, Foto von Horst BlumeDa im 19. Jahrhundert die Stadt Breslau der jüdischen Bevölkerung die Integration in öffentliche Fürsorge- und Wohlfahrtssysteme verweigerte, entstanden aus dem religiösen Gebot Zedaka (Verpflichtung zur Wohltätigkeit) gespeist, zahlreiche jüdische Einrichtungen. Das Buch zeichnet nach, wie durch das Zusammenwirken von gezielter wirtschaftlicher Verdrängung und Restriktion sowie direkter Verfolgung die Situation prekärer wurde. Zum einen, weil es immer mehr Hilfsbedürftige gab, zum anderen, weil ihnen die Räumlichkeiten weggenommen wurden. Die von jüdischen Stiftungen unterhaltenen Wohnhäuser für Arme standen zur Hälfte nichtjüdischen Menschen offen.

Das bekannte jüdische Krankenhaus war ebenfalls für alle zugänglich und vor 1933 ein wichtiger Kontaktraum zwischen jüdischer und nichtjüdischer Bevölkerung, der nun wegfiel. In dem Buch werden die einzelnen Stationen dargestellt, wie das NS-Regime durch Separation und Zusammenpferchen der Jüdinnen und Juden in immer kleinere Räumlichkeiten ihre Erfassung und zukünftige Deportation vorbereitete. Einige der Verfolgten hofften noch auf eine Ausreisemöglichkeit und opferten für ihre nicht reisefähigen und kranken Verwandten Hab und Gut für Unterbringung und Verpflegung. Sie wurden alle ermordet.

Der Bahnhof als "Nicht-Ort"

In einem ausführlichen Beitrag schreibt die Mitherausgeberin des Buches, Maria Luft beeindruckend, wie der Hauptbahnhof von Breslau und der Güterbahnhof bis heute ein viel zu wenig beachteter "Nicht-Ort" zur Vorbereitung und Durchführung der Shoa blieb. Ob Urlaubsreise oder als Transitstation bei dem Weg in den Tod, der größte Eisenbahnknotenpunkt im Deutschen Reich wurde vielseitig genutzt. Für die jüdische Bevölkerung war der Bahnhof, der unter der Kontrolle der Gestapo stand, ein Ort von Angst, Erniedrigung und Tod. Ohne Schienennetz und Bahnhöfe hätten die Massenmorde in diesem Umfang nicht so schnell durchgeführt werden können. Es waren "Bahnhöfe mit angeschlossenen Gaskammern".

Neuer Jüdischer Friedhof in Breslau/Wrocław im Jahr 2007, Foto von Horst BlumeDie jüdische Bevölkerung Breslaus hat an vielen Stellen durch ihre Einrichtungen das Stadtbild geprägt. Nach 1933 wurde in den neu erschienen Karten alles getilgt, was auf ihre Existenz hindeutete: Straßennamen, Krankenhäuser, Synagogen, Gebäude. Das neu präsentierte suggestive und manipulierte NS-Kartenmaterial sollte der nationalistischen und ausgrenzenden Identitätsstiftung dienen. Intern nutzte der NS-Apparat allerdings Kartenmaterial von Osteuropa, in dem jüdische Siedlungsgebiete eingezeichnet waren, um die jüdische Bevölkerung zu ermorden.

Den neuen jüdischen Friedhof, der auf der Landkarte unsichtbar war, hatte ich bei meinem Besuch vor 17 Jahren erst nach längerer Suche gefunden. 1938 flüchteten während einer Verhaftungswelle Hunderte für Tage hierher, erfahre ich in dem Buch. Bis 1944 überlebten in der benachbarten Krankenstation noch einige Jüdinnen und Juden, vorläufig geschützt durch den Status der "Mischehe", bis auch sie 1945 fast alle ermordet wurden. Die Einschusslöcher, die ich auf den Grabsteinen fand, zeugten von den heftigen Kämpfen, die noch in den letzten Wochen des Krieges um die "Festung Breslau" geführt wurden.

Synagoge "Zum weißen Storch" in Breslau/Wrocław im Jahr 2007. Foto von Horst BlumeKibbuzim in Schlesien

Nur 160 von ursprünglich 20.000 Jüdinnen und Juden haben in Breslau überlebt. Von 1945 bis 1948 fand ein vollständiger Bevölkerungsaustausch statt. Neben neu angesiedelten PolInnen kam aus der Sowjetunion die dorthin geflüchtete jüdische Bevölkerung nach Breslau, da sie im alten Polen auch nach 1945 oft durch antisemitische Pogrome verfolgt wurde. In Schlesien siedelten sich 220.000 Jüdinnen und Juden neu an. In Breslau entstand für wenige Jahre ein blühendes jüdisches Leben mit eigenen Zeitungen in jiddischer Sprache, Schulen, Gebetshäusern, Theatern. Die Geflüchteten aus den verschiedensten Regionen organisierten ihre Selbsthilfe in 120 jüdischen "Landsmannschaften". Auf wirtschaftlicher Ebene entstanden in Schlesien viele Kibbuzim, allein dreizehn in Breslau. Diese kurze Blütezeit wurde ab 1949 von der Kommunistischen Partei Polens beendet und sie löste den angeblichen "institutionellen Separatismus der jüdischen Bevölkerung" auf. Fast alle Jüdinnen und Juden Schlesiens verließen daraufhin Polen.

Dieses umfangreiche und gut recherchierte, verdienstvolle Buch berichtet aus Sicht der Opfer facettenreich und durch zahlreiche Bilder und Karten optisch ansprechend über die bisher in der Geschichtsschreibung viel zu kurz gekommene und heute nur noch rudimentär sichtbare jüdische "Erinnerungslandschaft" im heutigen Wrocław.

Ein jüdischer Überlebender schildert im Interview-Kapitel des Buches seine bestürzende Erfahrung, wie schnell sich in der ursprünglich auch sozialdemokratisch und kommunistisch geprägten Stadt nach der Wahl 1933 ein Großteil der nichtjüdischen Bevölkerung der NS-Ideologie angepasst hat und zu offenen Feindseligkeiten übergegangen ist. Das ist auch als Warnung für heute zu verstehen.

Tim Buchen / Maria Luft (Hg.): Breslau / Wrocław 1933–1949. Studien zur Topographie der Shoah, Hrsg., Neofelis Verlag, Berlin 2023, 624 Seiten, 270 Abb. und Karten, 44 Euro, ISBN 978-3-95808-422-3

 

Die Buchvorstellung auf der Hompage des Neofelis Verlages:

https://neofelis-verlag.de/verlagsprogramm/wissenschaft/juedische-studien-israelstudien/1075/breslau/wroclaw-1933-1949

Gedenktafel an der Synagoge "Zum weißen Storch" in Breslau/Wrocław im Jahr 2007. Foto von Horst BlumeHomepage-Seiten des Forschungsprojektes "Zur Topographie der Shoa in Breslau/ Wrocław 1933–1949":

https://www.copernico.eu/de/projekte/zur-topographie-der-shoah-breslauwroclaw-1933-1949

https://tu-dresden.de/gsw/phil/ige/oeg/forschung/forschungsprojekte-1/topographie-der-shoa-in-breslau

Maria Luft: "Verfolgungserfahrungen in Breslauer 'Judenhäusern' an der Schwelle zur Deportation"

https://www.doew.at/cms/download/d7kof/jb_2022_luft.pdf

 

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Außerdem sind möglicherweise folgende Artikel von mir interessant:

+ "Thessaloniki: Die Vernichtung der Judenstadt und ihre Folgen"

http://www.machtvonunten.de/?view=article&id=25:thessaloniki-die-vernichtung-der-judenstadt-und-ihre-folgen&catid=15:nationalisten-rechte-neoliberale

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+ "Der Kibbuz: Zwei Realitäten. Zwischen libertärer Utopie und Unterdrückung nach außen".

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+ "Zurückgeblieben im Braunraum. Joseph Beuys und der Nationalsozialismus“ Buchbesprechung "Beim Wort genommen" von Ron Manheim im Neofelis Verlag:

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+ "60 Jahre 'Aufbau'. Eine deutschsprachige Zeitschrift der Juden und Jüdinnen in den USA":

http://www.machtvonunten.de/medienkritik.html?view=article&id=73:60-jahre-aufbau&catid=17:medienkritik

 

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Auszug aus meinem Reisebericht im Jahr 2007 auf Traveller-Reiseberichte, der nur noch über die Wayback Machine einzusehen ist. Der Seitenaufruf dauert ein paar Sekunden:

https://web.archive.org/web/20230205174817/https://www.traveller-reiseberichte.de/polen-breslau.html

(...) Hier ist der Eingang zur einzigen erhalten gebliebenen jüdischen Synagoge Breslaus. Die jüdische Gemeinde Breslaus hat nur noch 300 Mitglieder. Neben Garagen und einem angrenzenden Hinterhof gelegen, hinterlässt das im klassisistischen Stil erbaute Gotteshaus einen traurigen Eindruck - obwohl Gerüste deutlich anzeigen, dass hier renoviert wird. Es wird noch mindestens zwei Jahre dauern, bis alles fertig ist. In den angrenzenden Gebäuden befindet sich das Gemeindezentrum und das koschere Restaurant "Sarah". Neben der Synagoge befindet sich an der Hinterhof-Wand eine Gedenktafel, auf der steht: "Von diesem Platz sind in den Jahren 1941 - 1944 die Breslauer Juden durch die Nationalsozialisten in die Vernichtungslager deportiert worden. Wir wollen es niemals vergessen!"

Restaurant "Sarah" neben der Synagoge zum Weißen Storch im Jahr 2007. Foto von Horst BlumeUm den Neuen Jüdischen Friedhof zu besuchen, setze ich mich in die Straßenbahn der Linie 22 und fahre fast eine halbe Stunde lang stadtauswärts. Links von der Straßenbahn sind unzählige Hochhäuser aneinandergereiht, rechts ist nach einiger Zeit ein parkähnlicher Wald zu sehen. Ich frage die Menschen in der Bahn nach dem jüdischen Friedhof und zeige das dazu passende Bild. Alle schütteln den Kopf, ich steige aus und auch an der Haltestelle weis niemand etwas. Zu Fuß weitersuchend wird mir bewusst, dass die Polen hier auch erst seit wenigen Jahrzehnten zuhause sind und bestimmte historische Stätten nicht unbedingt als die Ihrigen ansehen. Und einen jüdischen Friedhof, auf dem hauptsächlich Deutsche begraben wurden, noch viel weniger.

Neuer Jüdischer Friedhof in Breslau/Wrocław im Jahr 2007. Foto von Horst BlumeSchließlich fand ich das Eingangstor, etwas zurückgesetzt an der ul. Lotnicza 51. Ich trete ein in die ganz eigene Welt des untergegangenen deutschen Judentums. Obwohl als "neuer" Friedhof bezeichnet, ist er seit Jahrzehnten kaum mehr gepflegt worden und wird überragt von hohen Bäumen. Unten die teilweise verwitterten und halbverfallenen Grabstätten. Efeuumrankte, schiefstehende Grabsteine, auf denen nur noch vereinzelt von Besuchern abgelegte Steinchen zu sehen sind.

Ich gehe auf das zentralgelegene runde Denkmal zu und lese die Inschrift: "Erschlagen auf den Hoehen. Zum Gedächtnis der im Kriege 1914 – 1919 gefallenen Gemeindeangehörigen." Zwanzig Jahre bevor der Faschismus die deutschen Juden vernichtete, haben viele von ihnen für seine militaristischen und deutschnationalen Vorläuferorganisationen im Krieg gekämpft und dabei ihr Leben gelassen. Wie fatal! Und wie merkwürdig, hier in Polen daran erinnert zu werden. Während ich weitergehe, sorgt die Nachmittagssonne in dem Gräber-Wald für scheinwerferartige Lichteinfälle, die im Kontrast zu den überwiegenden schattigen Flächen stehen. An der Friedhofsmauer tragen haushohe tempelartige Säulen Dächer; tiefe Risse mahnen zur Vorsicht. Steinerne Papierrollen künden von Trauer und Abschied.

Neuer Jüdischer Friedhof in Breslau/Wrocław im Jahr 2007. Foto von Horst BlumeJetzt nähere ich mich einem länglichen Gerippe aus Eisen und Stein, umgeben von armdickem Efeu und menschhohem Kraut – dies war einmal die Trauerhalle. Glaslose, hohe Fenster. Die verrosteten Seitentüren stehen halboffen. Wieviele Trauergäste sind hier während der ganzen Jahre durch den langen Flur gegangen? Und jetzt ist alles leer hier. Während ich mit dem Fotografieren beschäftigt bin, schrecke ich plötzlich durch ein Geräusch hoch. Ein Friedhofsarbeiter schultert hastig sein Fahrrad, quert den Gebäudegang durch die beiden Seitentüren und ist schon wieder weg. Eine unwirkliche Szene. Ich gehe zurück durch ein verwüstetes Gräberfeld in Richtung Ausgang. Einige wenige neu angelegte Gräber zeigen mir hier, dass das jüdische Leben in Breslau nach dem Holocaust immer noch ein Schattendasein fristet.

Alter Jüdischer Friedhof in Breslau/Wrocław im Jahr 2007. Foto von Horst BlumeEs gibt noch einen weiteren jüdischen Friedhof, der leichter zu finden und ebenfalls mit der Straßenbahn zu erreichen ist. Der Alte Jüdische Friedhof an der u. Slezna 37 hat sogar ein Hinweisschild und einen Pförtner, der ein kleines Eintrittsgeld kassiert. Hier liegt vorwiegend die Prominenz. Schriftsteller, bekannte Kaufleute, Wissenschaftler, Politiker. Dementsprechend pompös sind die Grabstätten ausgestaltet. Der Wald ist etwas lichter und die Wege sind gepflastert. Ein ausnahmsweise schlichter Stein verkündet vieldeutig "Süß ist des Arbeiters Schlaf".

In der Reiseliteratur vielfach hervorgehoben wird das hier befindliche Grab des ersten Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins. Ferdinand Lassalle wurde 1825 in Breslau geboren. 39jährig starb er allerdings nicht im Kampf für die gerechte Sache der Lohnabhängigen, sondern er zog bei einem dünkelhaft-burgoisen Duell den Kürzeren. Er war eben ein echter sozialdemokratischer „Revolutionär“. Nach der Wende kamen führende SPD-Politiker nach Breslau und polierten seine Grabplatte. Ich wandte mich also lieber ab und ging auf das auffällig buntgekachelte "Haus" der Familie Kauffmann zu. Es ist im für die sephardischen Juden typischen maurischen Stil gebaut worden. Sehr ungewöhnlich für diese Gegend. (...)

 Neuer Jüdischer Friedhof in Breslau/Wrocław im Jahr 2007. Foto von Horst Blume

 

Neuer Jüdischer Friedhof in Breslau/Wrocław im Jahr 2007. Foto von Horst Blume

 

Nachtrag

Diese Buchbesprechung wurde von mir auf Facebook gepostet. Hauptsächlich auf der "Graswurzelrevolution"-Seite wurde sie 69 mal geliked und von 26 Personen geteilt. Es erfolgten 45 Kommentare. Zwei davon habe ich wegen Antisemitismus gelöscht. Aus aktuellem Anlass habe ich noch folgenden Text als Kommentar hinzugefügt:

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass auf Seite 558 (ursprünglich in Englisch) berichtet wird, welche Reaktionen es bereits vor gut 20 Jahren auf den Gedenkmarsch der Jüdischen Gemeinde an die Opfer des faschistischen Novemberpogroms von 1938 in Breslau/Wrocław gegeben hat:

"In den Jahren 2000 und 2001 fanden Demonstrationen im Zusammenhang mit der so genannten zweiten Intifada (Al Aksa) in Wrocław statt und die Feierlichkeiten am Denkmal in der Lakowa-Straße (wo die von den Faschisten 1938 niedergebrannte Neue Synagoge stand, H. B.) wurden von einer Gruppe von Palästinensern gestört. Mitglieder dieser Gruppe schwenkten Transparente mit der Aufschrift: "Palästina, der zweite Holocaust" und "Freies Palästina". Polnische Rechtsnationalisten schlossen sich der Gruppe von Palästinensern an und begannen, antisemitische Beleidigungen zu schreien. Erst 2006 gewährten die Behörden der Stadt Wrocław Schutz für die Zeremonie."

Bente Kahan “Farewell Cracow. Yiddish songs by Mordechai Gebirtig”

Mitorganisiert wird der jüdische Gedenkmarsch von der Bente Kahan Foundation, die von der bekannten norwegisch-jüdischen Musikerin Bente Kahan gegründet wurde. Sie interpretierte viele Lieder von dem jüdischen krakauer Komponisten Mordechai Gebirtig. Dieser bekannte "Unbekannte" bewegte sich im Kreis des transnationalen, osteuropäischen Allgemeinen jüdischen Arbeiterbundes ("Bund"). Sein Lied "Es brennt" wurde und wird von hunderten InterpretInnen (von Folkpunk über Folk bis zur Clubszene) gesungen. Gebirtig wurde 1942 auf dem Weg zum Bahnhof in das Vernichtungslager Belzec von deutschen Soldaten erschossen.

An dem Wohnhaus von Mordechai Gebirtig in Krakau. Foto: Horst Blume