Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 349, Mai 2010
Die Zukunft der Linkspartei
NRW: Post im Kasten, Stimme in der Urne, Verstand weg?
"Eines Tages hast Du Post im Kasten. Darin wird Dir mitgeteilt, zu welchem Wahlbüro Du gehen musst. Das kann man sich nämlich nicht aussuchen. Am Wahltag, dem 09. Mai 2010, hast Du zwischen 8 und 18 Uhr Zeit, Deine Stimme abzugeben. Für die Landtagswahl musst Du 18 Jahre alt sein." – Und offensichtlich nach Ansicht der NRW-Linkspartei auch ein bischen blöd sein, denn die kumpelhaft im Stil einer Bundeswehr-Rekrutierungskampagne aufgezogene "Information für Erstwähler" auf ihrer Homepage suggeriert Alternativlosigkeit.
Es erfolgt kein Hinweis auf den Parlamentarismus als repressive und manipulative Form bürgerlicher Herrschaft oder auf andere Möglichkeiten, wirksam seine eigenen Interessen wahrzunehmen. Statt das Bewusstsein für eine unabhängige Urteilsfähigkeit zu fördern, erfolgt der Aufruf, einer parteikonformen Hammelherde zu folgen. Die Behauptung vieler linker Parteimitglieder, während der Wahlkämpfe könne man viele Menschen für angeblich fortschrittliche Inhalte erreichen, erweist sich immer wieder als grundfalsch. Nie sind die Menschen dümmer als in Wahlkampfzeiten.
Oder sie werden für ganz dumm gehalten, wenn man sich den gemeinsamen Antrag der Oppositionsparteien SPD und Grüne zur Energiepolitik in NRW ansieht. Der Anlass: Andreas Pinkwart, NRW-Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie, stellt 100 Millionen Euro bis 2015 für den Wettbewerb "Energieforschung NRW – Innovative Energietechnologien für morgen" zur Verfügung. In der Ausschreibung des Wettbewerbs heisst es deutlich, dass auch für nukleare Kraftwerkstechnik und Hochtemperaturreaktoren geforscht werden soll. Vorsichtshalber findet die Auswahl der Projekte noch schnell in der alten Legislaturperiode statt. So schafft man in jedem Fall Fakten.
Bemerkenswert akribisch widmeten sich SPD und Grüne im Wahlkampf den Bestrebungen von CDU und FDP, der Atomindustrie ein paar Millionen Euro extra zuzuschanzen und die bestehende AKW-Forschung fortzusetzen. Diese Konsequenz und Gründlichkeit haben SPD und Grüne in keinster Weise an den Tag gelegt, als sie selbst in den Jahren 1995 bis 2005 die NRW-Landesregierung stellten. Damals haben sie mit teilweise wortgleichen Floskeln finanzielle Zuschüsse für Atomkraftforschung als rotgrüne Landesregierung auf den Weg gebracht und kritische Fragen von Bürgerinitiativen hierzu einfach abgebügelt.
Die Alimentierung von Hochtemperaturreaktor-Forschung mit staatlichen Geldern ist in NRW kein Resultat schwarzgelber Lobbypolitik, sondern war die Folge der großtechnikgläubigen sozialdemokratischen Industriepolitik der 60er Jahre, die nach 1995 teilweise sogar mit Hilfe der Grünen noch fortgesetzt wurde. Die rotgrüne Landesregierung bezeichnete sie noch 2004 als "wertvollen Beitrag zur internationalen Sicherheit von HTR-Reaktoren"!
Konsequent ist eine Parlamentspartei meist nur in der Opposition. Die hoffnungsvollen AnhängerInnen der Linkspartei mögen sich bitte das heutige Verhalten von SPD und Grünen genau ansehen. Sie werden darin die Zukunft der Linkspartei erblicken.
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