Aus: "Links. Sozialistische Zeitung", Nr. 268, September 1992
Akademische Sprache in der Zeitschrift "Links"
Macht weiter, aber ändert euch grundlegend. In der "Links" ist in diesem Jahr mehrmals angeklungen, dass es sehr problematisch war, andauernd mit erhobenem marxistischen Zeigefinger andere Menschen belehren zu wollen. Diese Erkenntnis kommt allerdings reichlich spät.
Nun sollten aber auch Konsequenzen folgen. Der Vorschlag, sich verschiedene Anregungen aus dem Anarchismus zu holen, kann sinnvoll sein, wenn ihr ihn undogmatisch aufarbeitet, über ihn hinausdenkt und nicht in engstirnigen Verbalradikalismus verfallt. Vor allen Dingen sollten sich die Redakteure der "Links" auch wirklich praktisch politisch betätigen, dann ergeben sich theoretische Schlussfolgerungen naheliegender und einfacher.
Unterstützt am besten sinnvolle Ansätze der Bürgerinitiativbewegung, zum Beispiel Komitee Grundrechte und Demokratie, Bund für Soziale Verteidigung, Gesellschaft für bedrohte Völker.
Veranstaltungsankündigungen sind auch ein Spiegelbild einer Zeitung und diejenigen in der "Links" fallen in der Regel dadurch auf, dass sie elitär und abgehoben sind – und natürlich als Bildungsurlaub anerkannt. Gibt es unter den Linksleserinnen und Lesern keine Menschen mehr, die handeln, weil sie überzeugt sind, dass etwas geschehen muss?
Das dünne "Links"-Heftchen ist mit sieben DM viel zu teuer und garantiert ein exklusives Schattensdasein in der Medienlandschaft. Die Sprache ist akademisch und verkorkst wie vor zwanzig Jahren. Da ich aus diesen Erfahrungen heraus nur eine begrenzte Hoffnung auf den Änderungswillen und die Änderungsfähigkeit der Mehrheit der "Links"-Autoren und der Redaktion habe, bleibt mir zum Schluss nur noch der Rat: Setzt wenigstens ein gutes Fremdwörterlexikon als Aboprämie aus!
Anmerkung
In den 70er Jahren war ich eines der 1500 Einzelmitglieder des linkssozialistischen Netzwerkes "Sozialistisches Büro" (SB), das die Zeitschriften "Links" und "Express. Zeitschrift für sozialistische Betriebsarbeit" herausgab. Letztere existiert heute immer noch. Die "Links", die einmal eine Auflage von etwa 12.000 Exemplaren hatte, wurde im Jahr 1997 nach einem erheblichen Auflagenschwund eingestellt. Über den hochtheoretischen, für normale Menschen kaum lesbaren Schreibstil habe ich mich immer wieder geärgert und dies auch in dem obigen Leserbrief geäußert.
Der bereits 1962 gegründete "Express" ist eine sehr empfehlenswerte Zeitschrift für die Gewerkschafts- und Betriebsarbeit und existiert immer noch:
Hier ist noch ein weiterer Leserbrief von mir zum Thema Spanien und die CNT aus dem Jahr 1979 in der "Links" einsehbar:
http://www.machtvonunten.de/leserbriefe.html?view=article&id=344:cnt-verschwiegen&catid=24:leserbriefe
In meinem sehr ausführlichen Nachruf aus dem Jahr 2015 auf den Mitbegründer des SB, Arno Klönne, spielt das Sozialistische Büro eine besondere Rolle:
http://www.machtvonunten.de/linke-bewegung.html?view=article&id=80:ein-schwarzer-roter&catid=22:linke-bewegung
Weitere Artikel von mir über Linkssozialisten:
Die Gewerkschaft SUD (solidaire, unitaire, démokratique) in Frankreich im Vergleich zum DGB in Graswurzelrevolution (2005):
http://www.machtvonunten.de/gewerkschaften.html?view=article&id=151:dgb-masochismus-nein-danke&catid=16:gewerkschaften
"Linkssozialisten in Europa" in der Vierteljahreszeitschrift "Schwarzer Faden" (1983):
http://www.machtvonunten.de/linke-bewegung.html?view=article&id=280:linkssozialisten-in-europa&catid=22:linke-bewegung
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Weiterführende Literatur zum "Sozialistischen Büro“ (SB):
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Policy_Paper/Papers_Spurensuche.pdf