22. Februar 2016: Arippa-Wald - Gärtnern als ziviler Ungehorsam
Im südindischen Bundesstaat Kerala haben in Arippa (etwa 50 km nördlich von der Großstadt Trivandrum) am 19. Februar 2016 etwa 3000 Dalits (sogenannte Unberührbare) und Adivasis zusammen mit Rajagopal PV und Anderen eine Fastenaktion begonnen, um die Legalisierung von Landtiteln zu erreichen.
In Kerala leben ca. zehn Prozent Dalits, die in der Regel kein Land besitzen und am Existenzminimum als Landarbeiter arbeiten müssen. Das Land gehört Großgrundbesitzern und Angehörigen oberer Kasten. Dalits und Adivasis müssen am Straßenrand oder zusammengepfercht auf engumgrenztem Raum leben.
Am 31. Dezember 2012 haben 1200 Dalit-Familien und Adivasis begonnen, in dem Arippa-Wald Hütten zu errichten und unter Bäumen, auf Waldlichtungen und am Waldrand Gemüse und Reis anzubauen. Hiermit knüpften sie an ihr traditionelles Wissen und ihre Lebensgewohnheiten aus einer vergangenen Zeit an, als sie noch nicht aus ihrem gemeinschaftlich bewohnten Lebensraum vertrieben wurden.
Bei dem seit drei Jahren im Einklang mit der Natur bearbeiteten Land handelt es sich um sogenanntes Überschussland, das für 90 Jahre an Großgrundbesitzer verpachtet worden ist und die es aber quasi lllegal 102 Jahre lang bis zum Jahr 2001 behielten. Dieses Land ging dann mit Verspätung in den Besitz des Bundeslandes Kerala über.
Von diesen 90 Acres (1 Acre = 4.047 Quadratmeter) wurden 21 Acres im Jahr 2009 neuen Besitzern zugesprochen. Den Rest sollten verschiedene Firmen und Institutionen erhalten. Aber nicht landlose Dalits, Adivasis und andere Arme.
Linke wie rechte Parteien haben in den Wahlkämpfen die Landlosen immer wieder benutzt, um mit billigen Versprechungen die jeweilige parteipolitische Konkurrenz zu übertrumpfen. Aber geändert hat sich nichts. Kam die jeweilige Partei an die Macht, fielen ihr sogleich angeblich innovative Großinvestitionen ein, die dort von Konzernen getätigt werden könnten.
Die Großgrundbesitzer sabotierten die zaghaften pro forma-Versuche der Landumverteilung, indem sie das Land schnell auf ihre anderen Familienmitglieder übertrugen. Die in den letzten Jahren von Keralas Regierung beschlossene nur dreiprozentige Landzuteilung für die 10 Prozent Dalits hat sie in dichtbewohnte Getthos abgeschoben, wo sie nicht überleben können.
Nachdem die seit jahrhunderten Marginalisierten selbstorganisiert als "Adivasi Dalit Munnetta Samiti" (ADMS) vor drei Jahren begannen, in mühsamer und vorbildlicher Arbeit den vernachlässigten Wald und angrenzende Gebiete für den Gemüseanbau nutzbar zu machen, wurden sie von den Angehörigen der höheren Kasten verleumdet und angegriffen. Ihnen wurde vorgeworfen, dass sie durch unsachgemäße Behandlung die Ausbeutung des Waldes für die Kautschukproduktion behindern würden. Der Gouverneur wies die Waldbewohner an, das Gebiet innerhalb einer Woche zu verlassen. Die Dalits und Adivasis wehrten sich monatelang durch viele Aktionen und Veranstaltungen und protestierten sogar im über zweitausend Kilometer entfernten New Delhi. Der "Arippa Bhoosamaram" (Arippa Landkampf) wurde allmählich bekannter.
Die Menschen im Wald hatten jede Menge an Problemen zu lösen. Es war schwierig, Trinkwasser zu gewinnen und Toiletten zu bauen. Doch in recht kurzer Zeit wurden viele kleine Felder mit Gemüse und Maniok angelegt; am Waldrand entstanden Reisfelder. Die Erfolge konnten sich sehen lassen und langsam entspannte sich das Verhältniss zur landbesitzenden Bevölkerung. Die rechtliche Situation blieb allerdings durch fehlende Landurkunden prekär.
Nach der am Anfang dieses Artikels gemeldeten Fastenaktion mit 3000 TeilnehmerInnen hat die Bundesregierung von Kerala reagiert. Während der Diskussionsveranstaltung mit Rajagopal P V und John Samuel von Ekta Parishad am 20. Februar 2016 sagte sie zu, das Land eintausend landlosen Familien rechtskräftig zuzusprechen. Es muss wohl noch abgewartet werden, ob dieses positive Ergebnis wirklich umgesetzt wird oder ob es weiterer Bemühungen bedarf. Wir werden sehen.
Ein interessanter und ausführlicher Artikel auf Englisch über die Entwicklung bis Dezember 2014 ist hier einzusehen:
http://www.ritimo.org/The-Battle-for-Survival-Arippa-Bhoosamaram-Arippa-Land-Struggle
Einen sehr anschaulichen Eindruck über die erfolgreiche Arbeit der neuen Waldbewohner vermittelt folgendes neunminütiges Video:
https://www.youtube.com/watch?v=2xRoXizyLZk
zurück zur Übersicht - Ekta Parishad