Aus: "Anti Atom Aktuell" Nr. 151, April 2004
Nuklearkontakte zu Indonesien
THTR-Know how soll exportiert werden
Das Forschungszentrum Jülich (FZJ) nennt als Kooperationspartner im Bereich "Prozeß- und Komponententechnik sowie sicherheitstechnische Verbesserung nuklearer Anlagen" die Nationale Atomenergiebehörde von Indonesien (BATAN). Das bevölkerungsreichste islamische Land der Welt wurde bis 1998 durch eine Militärdiktatur regiert. Bereits seit den frühen 70er Jahren besteht in diesem von der Atomindustrie umworbenen Schwellenland das Interesse am Bau von Atomkraftwerken.
1987 wurde in Serpong GA Siwabessy in Zusammenarbeit mit Deutschland ein nuklearer Forschungsreaktor (MPR-30) in Betrieb genommen. Als wenige Monate nach der Katastrophe in Tschernobyl und dem Störfall im THTR-Hamm im Jahre 1986 der sozialdemokratische NRW-Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen diesen Reaktor in Indonesien besichtigte, empfahl er der dortigen Militärregierung den Bau der deutschen HTR-Technologie. Die Siemens-Tochtergesellschaft lnteratom‚ die den THTR mitentwickelt hatte, machte sich Hoffnungen auf das Atomgeschäft mit Indonesien. Am 9. Juli 1987 besuchte Indonesiens Staatsminister für Forschung und Technologie, Professor Habibie‚ den THTR in Hamm-Uentrop und lies sich von Klaus Knizia (VEW) persönlich seine angeblichen Vorzüge erklären.
ABB und Siemens betonten in der folgenden Zeit immer wieder ihre Hoffnung auf einen HTR-Export nach Indonesien. Auf der Tagung der Internationalen Atomenergie-Organisation am 27. Juni 1991 in Wien berichtete die Zeitschrift "VGB Kraftwerkstechnik": "Ein spezielles indonesisches Interesse zeigte M. Nurdin an der besseren Ausbeutung von Ölfeldern mit HTR-Dampf, aber auch an der Kohlevergasung und -verflüssigung, Kraft-Wärmekopplung und Meerwasserentsalzung." Die nukleare Zusammenarbeit des Jülicher Forschunszentrums mit Indonesien zeigt sich ebenfalls in einer im März 1992 von Lasman As Natio geschriebenen Dissertation "Neutronenphysikalische Untersuchungen zu dem indonesischen Forschungsreaktor MPR-30 im Hinblick auf den Einsatz von Silicid-Brennelementen.
1997 bezeichnet die mit deutscher Unterstützung geschriebene Energieprognose "Markal-Studie" den Einsatz von Atomenergie in Indonesien als "unerlässlich". Das internationale Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) benannte heute die indonesische Behörde für Nuklearforschung (BATAN) als wichtigsten Partner für die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich der Materialforschung und verweist auf ein bereits ausgebautes Netzwerk von deutschen und indonesischen Forschungseinrichtungen. Mittlerweile seien im Rahmen der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit mehr als 20.000 indonesische StudentInnen in Deutschland aus gebildet worden.
In den Jahren 2002 und 2003 führte das durch nukleare Störfälle und eine hohe Leukämierate in der Umgebung ins Gerede gekommene Forschungszentrum Geesthacht (GKSS) ein wissenschaftliches Projekt in Jakarta (Indonesien) durch. Professor Günter Lohnert hielt unter anderem in Indonesien Gastvorlesungen zum Thema inhärent sichere Reaktoren und THTR's. Dieser Mann übernahm 1973 bei Siemens/Interatom die Abteilung "HTR-Sicherheitsanalysen"‚ schrieb 1982 in der Zeitschrift "Atomwirtschaft" den Artikel "Der modulare HTR - Ein neues Konzept für den Kugelhaufenreaktor". 1997 hat Lohnert den Lehrstuhl an dem Institut für Kernenergietechnik und Energiesysteme (IKE) an der Universität Stuttgart übernommen, das mit EU-Geldem in den letzten Jahren HTR-Forschung betrieb. Es soll unter seiner Führung zu einem "Kompetenzzentrum für alle relevanten Fragestellungen der Kernenergie" ausgebaut werden.
Im Februar 2000 wurde Dr. Hans-Joachim Klar von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, die intensiv mit dem FZJ kooperiert, von der Nationalen Atomenergiebehörde Indonesiens (BATAN) zum Mitglied des Wissenschaftlichen Berater-Kommitees (SAC) ernannt. Klar hat bereits verschiedene Seminare und Workshops in Indonesien durchgeführt. "Die Ernennung würdigt seine Verdienste in verschiedenen wissenschaftlichen Kooperationen mit Indonesien" und "erfolgt aufgrund eines Dekrets der indonesischen Regierung, das die Aktivitäten der nuklearen Energieversorgung regelt", schreibt die RWTH Aachen März/April 2000 in einer Presseerklärung.
All diese Mosaiksteine belegen eine jahrzehntelange intensive technisch-wissenschaftliche Kooperation zwischen Deutschland und Indonesien, die auch auf dem Gebiet der Atomkraftforschung stattgefunden hat. Die weitere Entwicklung sollte genau beobachtet werden. Denn selbst nach dem verheerenden und weltweit beachteten islamistischen Terroranschlag am 12. 10. 2002 auf Bali wird sich die Atomindustrie nicht davon abbringen lassen, dieses Gefährdungspotential auch in Indonesien anwenden zu wollen.
zurück zur Übersicht - Atomkraft und Ökologie