Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 383, November 2013
THTR: Handliches Atombomben-Material und teurer Reaktor-Rückbau
Nach der Stilllegung des Thorium Hochtemperaturreaktors (THTR) in Hamm im Jahre 1989 sind seine 600.000 radioaktiven Kugelbrennelemente in das Zwischenlager nach Ahaus gebracht worden.Erst jetzt wird durch eine Studie des Whistleblowers und ehemaligen Mitarbeiters im Forschungszentrum Jülich (FZJ) Rainer Moormann und seines Co-Autors Jürgen Streich deutlich, wie gefährlich diese 59 Transporte von Hamm nach Ahaus wirklich waren:
Die Brennelemente sind nach der Bergung aus dem Kugelhaufenreaktor immer noch hochradioaktiv angereichert, da sie wegen der vielen Störfälle und Stillstandszeiten nur wenig aufgebraucht werden konnten. Nach Moormann ist jetzt noch genug Spaltstoffinventar übrig, um damit fünf Hiroshima-Atombomben zu bauen. Oder bei einer besonders günstigen Reflektorenanordnung sogar 10 bis 12 Atombomben.
Die Gefahr der militärischen bzw. terroristischen Nutzung der THTR-Kugeln nimmt in Zukunft nicht ab, sondern deutlich zu: Weil die von den Kugeln ausgehende materialdurchdringende (!) Strahlung im Laufe der Zeit abnimmt, kann mit ihnen viel einfacher hantiert und Spaltstoff gewonnen werden. Eine Atombombe wäre auf diese Weise mechanisch leicht zu konstruieren. Es sind nur geringe spezifische Kenntnisse hierfür notwendig.
Das Forschungszentrum Jülich, dass diese Reaktorlinie seit den 50er Jahren entwickelt hatte, erarbeitete bisher keine Konzepte, wie in Zukunft mit den hochradioaktiven Kugeln umgegangen werden sollte. Im Gegenteil, es versucht immer noch mit viel Geld ihr jämmerlich gescheitertes Reaktorkonzept anderen Ländern aufzuschwatzen.
In dem Reaktor selbst befinden sich noch ca. 1,6 kg Plutonium und Uran. Da aufgrund der vergangenen Störfälle und des Kugelbruchs sein Inneres mit einer radioaktiven Staubschicht bedeckt ist, würde der in zehn oder zwanzig Jahren geplante Beginn des Rückbaus eine große Gefahr darstellen. Es ist eine diskussionswürdige Option, den Reaktor während der nächsten Jahrzehnte nicht zu öffnen, sondern einen möglichst sicheren Einschluss zu gewährleisten, damit die Strahlung noch mehr abklingen kann. Vielleicht findet diese Variante unter den politischen EntscheidungsträgerInnen noch mehr AnhängerInnen, wenn die immensen tatsächlichen Kosten des Rückbaus offen benannt würden.
Bisher wurden für Forschung, Entwicklung und Bau des THTR ca. 4,5 Milliarden Euro ausgegeben. Die Betreiber des seit 24 Jahren stillgelegten Reaktors geben die voraussichtlichen Rückbaukosten mit 404 Millionen Euro an. Nach Einschätzung von Rainer Moormann ist allerdings aufgrund der bisherigen Erfahrungen bei dem zwanzig mal kleineren Mini-THTR in Jülich mit mindestens einer Milliarde Euro Rückbaukosten zu rechnen. Hinzu kommen ab 2013 mehrere hundert Millionen Euro für die Zwischenlagerung der Brennelemente, Endlagervorausleistungen und den "sicheren Einschluss" bis zum Jahr 2030.
Die Atomindustrie will den allergrößten Teil dieser Kosten dem Land NRW und dem Bund aufhalsen. Es gibt also mehrere Gründe, warum die Umweltschutzbewegung bei der Abwicklung des Pleitereaktors die nächsten Jahrzehnte sehr wachsam und aktiv sein sollte!
Die oben genannte Moormann-Studie und ausführliche Artikel sind hier einsehbar: http://www.reaktorpleite.de/aktuelles
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