Aus: "FugE-News" Nr. 1, 2011
Die Stunde der Wunder-Täter
Auf Kosten der Fukushima-Opfer versucht die THTR-Lobby sich zu profilieren
Nur wenige Tage nachdem eine in Zukunft noch lang andauernde schreckliche Atomkraft-Katastrophe die Menschen in Japan heimgesucht hat, versucht die Lobby einer speziellen AKW-Variante aus dieser Katastrophe im wahrsten Sinn des Wortes Kapital zu schlagen.
Die ökonomischen Nutznießer der Forschung an Kugelhaufenreaktoren als Bestandteil der neuen geplanten Generation IV-Reaktoren treten in den publizistischen Verlautbarungsorganen der Energiekonzerne auf und verbreiten ihre seit Jahrzehnten immergleiche Litanei:
Mit ihren Wunder-Reaktoren gäbe es weder GAU noch Kernschmelze; sie seien inhärent sicher und aufgrund von Naturgesetzen könne einfach nichts Schlimmes passieren.
Dumm nur, dass ihr Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm nach einer endlosen Pannen- und Störfallserie (1) 1989 stillgelegt werden musste. Bei dem viele hundert Millionen Euro teuren Rückbau-Versuchen des kleinen 46 MWth (bzw. 13 Mwel) THTR-Forschungsreaktors im Forschungszentrum Jülich zeigt sich aktuell, dass beispielsweise aufgrund höherer Temperaturen und höheren Drucks lediglich anders gelagerte Probleme und Störfallmöglichkeiten auftreten als bei Leichtwasserreaktoren.
Rainer Moormann als beteiligter Wissenschaftler beim Abbau des Jülicher Forschungsreaktors hat diese Probleme in einer 2008 international viel beachteten Studie (2) eindeutig und sachlich benannt. Die Entwicklung des südafrikanischen HTR's, Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) genannt, musste im Jahr 2010 eingestellt werden, nachdem bereits 1,5 Milliarden Euro ausgegeben worden sind. Hierüber reden die Propagandisten der HTR-Linie nicht so gerne.
Einer von ihnen ist Professor Antonio Hurtado (3). Er hat an der RWTH Aachen zum HTR promoviert und ist jetzt an der der TU Dresden Leiter der Professur Wasserstoff- und Kernenegietechnik. Wenige Tage nach der Katastrophe in Fukushima trauert er am 18. 3. 2011 in einem Interview mit Springers "Welt" nicht etwa um die vielen Opfer der Atomkatastrophe, sondern um seinen eigenen favorisierten Reaktortyp, mit dem er sein Geld verdient:
"Das war zumindest in Deutschland das Aus für die wunderbare Technologie des inhärent sicheren Reaktors überhaupt. Aus meiner Sicht ist das eine große Schande und eine verpasste Chance, neben den laufenden Leichtwasserreaktoren auch Reaktoren im Portfolio zu haben, die im Hinblick auf die öffentliche Akzeptanz eine andere Sicherheitsphilosophie verfolgen".
Zu den von ihm anvisierten Zukunftsperspektiven äußert er sich wie folgt: : "Das meiste Know-how ist hierzulande noch immer verfügbar. An der TU Dresden haben wir ein Kompetenzzentrum für Hochtemperatur-Reaktortechnik. Hier werden zahlreiche Projekte mit internationalen Partnern durchgeführt".
Hurtado nennt als HTR-interessierte Länder "Kanada, China, Indien, die USA und zumindest bislang auch Japan" und weist auf einen weiteren räumlichen Schwerpunkt der HTR-Entwicklung in unserer Region hin: "Von Interesse ist bei unserem Nachbarn Polen die Berücksichtigung eines Kugelhaufenreaktors im Länderdreieck Polen, Tschechien und Deutschland. Dort könnte die Prozesswärme des Reaktors gut genutzt werden, um eine kohlendioxidfreie Veredlung der heimischen Braunkohle aus dem dortigen Revier zu ermöglichen".
Eine Glanzleistung subtil-schräger Demagogie leistete sich am 27. März 2011 Alard von Kittlitz in der FAZ-Sonntagszeitung in der völlig ernst gemeinten Hymne auf den THTR-Pleitereaktor "Die Schönste der Maschinen"! Es ist schon erstaunlich, mit welcher Dreistigkeit dieser Kittlitz die jahrelangen beängstigenden Erfahrungen der westfälischen Bevölkerung mit diesem Pannenreaktor in Hamm hinwegwischt und ihn zu einem Wunschobjekt seiner makaber-durchgeknallten technikgläubigen Obsession macht:
"So was gab es aber einmal, mindestens das Versprechen darauf, und zwar in Nordrhein-Westfalen, in Hamm-Uentrop. Bis die Katastrophe von Tschernobyl kam, alle den Kopf verloren, und die Politik meinte, auch die Kopflosen als Wähler zu brauchen. Da riss man den vielversprechendsten Brückenkopf in die Zukunft wieder ab, denn auch der strahlte, und alle Strahlung war schlecht geworden. (...) Der THTR war ein Wunderwerk. (...) So kam es, dass man den THTR 300, dessen silbern glänzender Kühlturm später fast zum Denkmal erklärt wurde, im September 1989 unter Gezänk endgültig abschalten ließ, und damit die Thorium-Technologie in Deutschland."
Zänkische Atomkraftwerksgegner zerstören den silbern glänzenden Hoffnungsschimmer der Atomgemeinde! Diese hingebungsvollen Lobeshymnen auf einen gescheiterten Pannenreaktor wirken auf diejenigen, die die Störfälle und die vielen Blockaden und Demonstrationen in den 80er Jahren am THTR in Hamm miterlebt haben, unwirklich und peinlich.
Als esoterische Dolchstoßlegende erscheint sie aber nicht in irgendeinem obskuren rechten Sektenblättchen, sondern in der führenden Zeitschrift des bundesdeutschen Unternehmertums und erhält hierdurch ein anderes Gewicht. Dafür, dass ihre einträglichen Gewinne und Subventionen auch in Zukunft gesichert sind, bringt die THTR-Lobby jetzt ihre Schreiber und Professoren sogar auf Kosten der Opfer in Fukushima in Stellung. Wir werden diesem Schauspiel unsere Argumente und unsere Aktionen entgegensetzen.
Anmerkungen
1. Siehe: http://www.reaktorpleite.de/die-thtr-pannenserie.html
2. Siehe: http://www.reaktorpleite.de/35-fakten/dokumentationen/327-htr-studie-aus-dem-jahre-2008.html
3. Siehe: http://www.reaktorpleite.de/nr.-117-november-07.html
Anmerkung
Die gesamte Ausgabe der "FugE-news" Nr. 1 (2011) ist hier einsehbar:
https://fugehamm.files.wordpress.com/2015/10/fuge-news-2011_01.pdf
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